Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wahl
Vom Netzwerk:
und Augen ausreichend, und die auffällige Garnitur aus falschen Margeriten und Kornblumen ließ sich problemlos entfernen.
    »Ich nehme ihn«, sagte ich gut gelaunt zu der Verkäuferin. Der Arm, der sich schwer auf meine Schulter legte, der Bieratem, der mir von hinten unangenehm in die Nase stieg und die leicht lallende Stimme, die in mein rechtes Ohr blies, trafen mich völlig unvorbereitet. »Na, Süße, wie geht’s denn so?« Instinktiv schüttelte ich den Arm ab und sprang beiseite, ehe ich mich umdrehte.
    Der Mann blinzelte schwerfällig und kämpfte mit seinem Gleichgewicht. Nicht sehr viel größer als ich, aber massig. Das karierte Holzfällerhemd trug auf der Vorderseite die Spuren des Tages: eine Landkarte dunkler Flecken, leuchtend rotem Ketchup und angetrockneter Speisereste. Mein Magen revoltierte, und ich trat sicherheitshalber noch weiter zurück, bis ich an die Theke eines Süßwarenstandes stieß.
    »He, wohin denn so eilig? Wir ha’m uns doch grade kennen gelernt …« Schwankend, aber entschlossen setzte er mir nach, keilte mich zu meinem Entsetzen zwischen der Theke, der Deichsel des Anhängers und seiner übel riechenden Vorderfront ein. Grinsend zeigte er eine Reihe gelblich verfärbter Zähne und wischte sich ungeniert mit dem Handrücken die laufende Nase. Seine hellblauen Schweinsäuglein zogen sich zu Schlitzen zusammen, während er mich genauer musterte. »Ey, du mich verstehen? Du Russki? Das kann ich mir grad noch leisten«, murmelte er, während er eine Hand in seiner Hosentasche vergrub und sich mit der anderen hingebungsvoll im Schritt kratzte.
    Keiner der Passanten nahm von uns Notiz. Meine Hoffnung, dass jemand sich einmischen und diese Kreatur entfernen würde, war offensichtlich umsonst.
    »Da, das is ja wohl genuch!« Mit diesen Worten wedelte er einen muffig riechenden Geldschein vor meinem Gesicht hin und her. Er roch so widerlich, dass es eigentlich auf diese Nuance nicht mehr ankam, aber sie steigerte meinen Ekel zu schierer Panik.
    Weiter zurückweichen konnte ich nicht mehr, also biss ich die Zähne zusammen, stieß ihn mit aller Kraft von mir und katapultierte mich an ihm vorbei in die Freiheit. Der Stoß ließ ihn an die Verkaufstheke taumeln, die von seinem Gewicht so heftig vibrierte, dass einige der Tüten mit Magenbrot umkippten.
    »Hey, Vorsicht, könnt ihr nicht aufpassen?«
    Der mürrische Tadel schien mir so unpassend, dass ich fast gelacht hätte. Dann aber fühlte ich plötzlich Wut über ihn in mir aufsteigen. »Ihre blöden Bemerkungen können Sie sich sparen! Haben Sie nicht gesehen, wie der Mann mich belästigt hat?«, fauchte ich ihn an.
    »T… Tut mir leid«, stammelte er verlegen.
    Einige Passanten begannen neugierig, näher zu kommen. Der Betrunkene versuchte mühsam, sich wieder zu orientieren. Sein glasiger Blick schweifte ziellos umher, blieb an einem Stand hängen, der Fischbrötchen verkaufte, und er begann taumelnd, sich in Bewegung zu setzen.
    So plötzlich wie sie gekommen war, verschwand die Wut wieder. Ohne den Mann hinter der Theke eines weiteren Blicks zu würdigen, ging ich langsam und mit hoch erhobenem Kopf weiter.
    Im Zelt, im Schutzkreis von Alfons und seinen Bekannten, schien mir meine Reaktion fast übertrieben. Alfons warf mir einen besorgten Blick zu und fragte leise: »Was war los? Du siehst aus, als hättest du Ärger gehabt.«
    »Alles in bester Ordnung, mach dir keine Gedanken«, sagte ich und war doch froh, so eng neben ihm zu sitzen, dass ich seine beruhigende Wärme durch das raue Tweedjackett spüren konnte.
    Es gab keine weiteren Ablenkungen dieser Art. Das Frühjahrsgeschäft ging nahezu nahtlos in die Balkonpflanzenzeit über, und wieder hatten wir alle Hände voll zu tun. Wenn ich abends total erschöpft ins Bett sank, wunderte ich mich immer, wie schnell der Tag vergangen war.
    Vielleicht machte es mir deshalb nicht so viel aus, dass die Suche nach meinem Vater nicht den erhofften Erfolg gebracht hatte. Inzwischen kannte ich Dr. Weydrichs Stimme gut und merkte sofort, dass etwas Ungewöhnliches mitschwang, als er mich anrief und bedauernd sagte: »Es tut mir leid, dass ich Ihnen keine erfreulichere Nachricht übermitteln kann.« Im ersten Moment fürchtete ich, dass sich unerwartete Probleme mit dem Abernathy-Vertrag ergeben hätten, und war zunächst erleichtert, als er fortfuhr: »Sie hatten mich doch gebeten, Nachforschungen über Ihren Vater anzustellen.«
    »Und, was sind das für Nachrichten?«
    »Es tut mir

Weitere Kostenlose Bücher