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Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wahl
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ich nervös vor dem stummen Telefon hin und her. Ich traute mich nicht, meinen Wachtposten zu verlassen, um Alfons Bescheid zu sagen. Was, wenn gerade dann das Krankenhaus anriefe? Vielleicht war es doch ernster, als der Mann meinte! Er war schließlich kein Mediziner. Die Erinnerung an die Zeiten, als jedes Läuten des Telefons für mich einen Anruf des Krankenhauses bedeutete – und meist war es eine schlechte Nachricht gewesen –, stieg in mir auf. Nicht schon wieder , schoss es mir durch den Kopf. Ich fühlte, wie meine Hände zitterten und mein Magen sich zusammenkrampfte.
    Schritte auf der Treppe kündigten Alfons an, noch bevor er, vorsichtig zwei Tontöpfe balancierend, mit dem Ellbogen die Tür öffnete.
    »Sind sie nicht toll geworden? Mike wird staunen …« Er brach ab, als er mein Gesicht sah, stellte rasch die beiden Tontöpfe mit den beiden Kamelienstecklingen hin und kam auf mich zu: »Was ist passiert? Etwas mit Mike?« Die Angst, die in seiner Stimme durchschimmerte, machte mir bewusst, wie sehr er an ihr hing.
    »Wahrscheinlich halb so schlimm«, versuchte ich mich in beruhigender Untertreibung. »Der Pförtner sagte, sie war schon wieder bei klarem Bewusstsein. Sie wird gerade geröntgt. Er will mir Bescheid geben.«
    Mit aschgrauem Gesicht sank Alfons in den Sessel neben dem Fenster. In einem hilflosen Versuch, ihn zu trösten, legte ich ihm schüchtern die Hand auf den Arm und erschrak über die Kraft, mit der er sie packte und fest umklammert hielt, bis das schrille Klingeln des Telefons uns eine halbe Ewigkeit später aus unserer Erstarrung riss.
    »Hallo, da bin ich schon …« Die fröhliche Stimme des Pförtners klang so unbeschwert, dass ich mich entspannte und Alfons mit hochgerecktem Daumen signalisierte, es sei alles in Ordnung. »Ihr Freund durfte sie gleich wieder mitnehmen. Nichts Ernstes – habe ich Ihnen doch gleich gesagt.«
    Für »nichts Ernstes« wirkte Monika ziemlich lädiert, als sie sich, halb von Stevie getragen, halb humpelnd, Stunden später mit schiefem Grinsen die Treppe zu ihrem Bett hinaufschleppte.
    Alfons und ich betrachteten entsetzt die Prellung unter ihrem linken Auge, den Arm in der Schlinge und den dicken Verband um ihren rechten Fuß.
    »Und so haben sie dich wieder auf die Straße gesetzt?«, fragte Alfons ungläubig. »Ein komisches Krankenhaus ist das!«
    »Ach, die sind Schlimmeres gewöhnt«, winkte Monika erschöpft ab. »Eine leichte Gehirnerschütterung, verrenkte Schulter und angebrochener Knöchel – Lappalien. Fast hätten sie mich den Sanitätern überlassen.«
    Empört murmelte Alfons etwas von ausländischer Schlamperei. Stevie grinste und meinte, sie hätten sich schon Mühe gegeben. »Und Mike hat sowieso darauf bestanden, schleunigst nach Hause zu kommen.« Fürsorglich bestand er darauf, ihre Kissen so zu arrangieren, dass die verrenkte Schulter samt dem dazugehörigen Arm und der Fußknöchel abgestützt wurden. Als er allerdings nach kalten Umschlägen für ihre Stirn fragte, fand Mike es an der Zeit, ihn nach Hause zu schicken. Er küsste sie auf die Wange, versprach, sie am nächsten Tag zu besuchen, und verabschiedete sich widerstrebend, aber folgsam.
    »Soll ich dir eine Brühe machen?«, bot ich an.
    Monika zog eine Grimasse, gähnte herzhaft und winkte ab. »Nein, danke. Ich möchte nur schlafen.«
    Zur Sicherheit ließ ich nachts meine Tür offen, aber bis auf ihr leichtes Schnarchen, sobald sie sich auf den Rücken drehte, blieb es ruhig.
    Beim Frühstück brachte ich unsere Londonreise zur Sprache. »Vielleicht ist es besser, ich mache Dr. Weydrich doch noch die Freude, ihm eine Vollmacht auszustellen, und bleibe bei dir.«
    Monika runzelte die Stirn: »Ich brauche doch keine Krankenpflegerin! Selbstverständlich fährst du.«
    »Ich kann dich in diesem Zustand nicht gut allein lassen«, protestierte ich etwas halbherzig.
    »Sie ist nicht allein: Ich bin da und Stevie. Bevor du kamst, hätte das auch reichen müssen«, erinnerte mich Alfons ruhig. »Flieg du ruhig nach London und genieße es. Ein richtiger Tapetenwechsel wird dir gut tun. Bei Jonathan bist du in guten Händen«, fügte er lächelnd hinzu.
    Als es darum ging, wo in London wir Unterkommen sollten, hatte Alfons Jonathan Dunnet ins Gespräch gebracht. Die beiden kannten sich aus den Jahren, in denen der Engländer ein Auslandspraktikum in Deutschland absolviert hatte. Das hatte den angehenden Journalisten ausgerechnet in unsere Kleinstadt verschlagen. Bei einer

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