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Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wahl
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Gartenbauausstellung hatten er und Alfons sich getroffen und angefreundet. Inzwischen war Jonathan ein bekannter Restaurantkritiker – an die mehr oder weniger geistreichen Bemerkungen über Engländer und deren Befähigung zu Gourmets hatte er sich gewöhnt und auf Alfons’ Anfrage nach einer empfehlenswerten Unterkunft hatte er uns spontan eingeladen, bei ihm zu wohnen.
    Monika kannte ihn von seinem letzten Deutschlandbesuch. Kichernd hatte sie eines Abends, als wir beide zusammensaßen, seine Körpersprache imitiert. »Alte Tante ist manchmal noch geschmeichelt, aber er ist einfach süß.«
    Sein Porträt in der Umschlagklappe seines Buchs, das sie mir geliehen hatte, zeigte ein rundes, glatt rasiertes Gesicht, das kindlich wirkte für einen Mann um die fünfzig. Es lächelte den Betrachter so unschuldig an, als sei der Autor nicht derselbe, dessen bissige Bemerkungen und treffende Urteile bei ehrgeizigen Jungköchen gefürchtet waren.
    »Ihr habt ja Recht«, sagte ich seufzend zu Monika und Alfons. »Ich fahre!« Insgeheim musste ich mir eingestehen, dass ich froh war, nicht die Krankenschwester spielen zu müssen, denn ich hatte mich sehr auf diese Reise gefreut.
    Einen Tag später saß ich am späten Nachmittag, zum ersten Mal in meinem Leben absolut auf mich allein gestellt, im Stanstead-Express – und stellte eine Spur enttäuscht fest, dass die englische Landschaft der heimatlichen überaus ähnlich schien.
    Die Gelassenheit meiner Mitreisenden, die ins Flugzeug stiegen, als handelte es sich um einen Reisebus, und die Routine, die die Besatzungsmitglieder ausstrahlten, ließen meine Nervosität albern erscheinen. Also bemühte ich mich, eine ähnliche Blasiertheit an den Tag zu legen, wie die Dame neben mir. Eigentlich war Fliegen wirklich nichts Besonderes. Aber es gefiel mir, obwohl ich mir dabei den Hals verrenken musste, die Wasserläufe und Straßen unter uns zu verfolgen, die winzigen Autos, die so langsam zu kriechen schienen.
    Ich hatte etwas Bedenken gehabt, mich zurechtzufinden, aber es hatte alles geklappt, und an der Liverpool Station wollte Jonathan mich abholen.

Kapitel 4:
Jonathan Dunnet
    In dem Menschenstrom, der sich den Bahnsteig entlangwälzte, musste ich mich darauf konzentrieren, nicht umgerannt zu werden, und erst als er sich durch die enge Kontrollsperre gedrängt hatte und verteilte, hatte ich Gelegenheit, im Schutz einer schwarzweiß gefliesten Säule meinen Koffer abzusetzen und mich umzuschauen.
    Liverpool Station wimmelte von Menschen, wie jeder große Bahnhof. Allerdings fiel mir die ungewohnt große Anzahl von Sicherheitspersonal auf. Nicht vereinzelte Bahnpolizeistreifen, sondern ganze Gruppen in dunklen Uniformen standen an praktisch jeder Ecke und beobachteten die Menschen argwöhnisch. Seltsamerweise fühlte ich mich dadurch nicht sicherer, sondern unwohl. Außer mir schien jeder durch sie hindurchzusehen; es war, als existierten sie eigentlich nur in meinen Augen.
    »Sieh müssen Verena Nauhman sain«, sagte eine modulierte Männerstimme hinter mir in holprigem Deutsch. »Hello, ich biehn Jonathan.«
    Ich fuhr herum. Jonathan Dunnet war kaum größer als ich. Ein Buchsbaum-Mann , schoss es mir durch den Kopf, makellos in Form gebracht . Jede einzelne Haarsträhne wirkte wie gemeißelt, der helle Sommeranzug saß perfekt, die leichten Lederslipper waren farblich abgestimmt auf die Seidenkrawatte. Er reichte mir eine gepflegte Hand und lächelte freundlich. In der Hand hielt er das Foto von mir, das wir ihm gemailt hatten, und steckte es nun beiläufig in die Jackentasche, während er mich begrüßte.
    In einem so ausgeprägten Oxfordenglisch, das meine ehemalige Englischlehrerin entzückt gewesen wäre, fuhr er fort: »Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir Englisch sprechen? Mein Deutsch ist so eingerostet, dass ich sonst ein mühsamer Gesprächspartner wäre.«
    Ich beeilte mich, ihm zu versichern, dass meine Sprachkenntnisse für den Alltagsgebrauch ausreichten, und er schien ehrlich erleichtert.
    »Das ist schön, ich hatte schon halb befürchtet, mich maßlos zu blamieren. – Kommen Sie, das Auto wartet.«
    Zu meiner Verblüffung hatte er mich mit einem Taxi abgeholt. »Ich fahre schon lange nicht mehr selbst Auto, wenn ich in London bin«, erklärte er mir. »Es ist mir einfach zu stressig: Keine Parkmöglichkeiten, verstopfte Straßen, hohe Gebühren. Da nehme ich mir im Notfall lieber ein Taxi.«
    Wir mussten quer durch die Stadt fahren, da Jonathan in Chelsea

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