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Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wahl
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den noch leicht warmen Teller. Die dicke Sahnesoße lief um sie herum und ließ die Kruste aus Salbeiblatt und Käse erahnen. Es roch köstlich.
    Die ersten Minuten genossen wir schweigend. Wenn man den Geschmack von Salbei nur mit Halsschmerzen in Verbindung bringt, dann hat man eine Menge versäumt, stellte ich fest. Das zarte, silbergrüne Blatt unter der Käseschicht verlieh dem Fleisch eine würzige Note, ohne den zarten Eigengeschmack zu überdecken.
    »Als ich damals in Deutschland war, habe ich einige interessante Gerichte kennen gelernt. Die meisten deutschen Frauen schienen gerne zu kochen. Du auch?«, fragte Jonathan beiläufig.
    »Ich kann überhaupt nicht kochen«, gab ich kleinlaut zu.
    »Überhaupt nicht?«
    »Na ja, ich kann zur Not ein Rührei braten. Aber ich habe mich nie besonders für Essen interessiert – bisher.«
    Er hob amüsiert die Brauen. »Das müssen wir unbedingt ändern! Du ahnst ja nicht, was dir alles entgeht!« Dann begann Jonathan zu plaudern. Ich erfuhr, dass man Basilikum nicht fein hacken, sondern allenfalls in grobe Streifen schneiden durfte, dass frische Kräuter möglichst nicht gewaschen werden sollten (»Aber manchmal ist es das geringere Übel!«, schränkte Jonathan resigniert ein) und dass die ätherischen Öle im Kühlschrank rasch verfielen. Von solchen praktischen Dingen kam er zu verschiedenen kulinarischen Erlebnissen während seiner Reisen, und als ich das erste Mal auf die Uhr sah, weil ich gähnen musste, stellte ich überrascht fest, dass wir seit über drei Stunden bei Tisch saßen. Und das, wo morgen ein anstrengendes Programm auf mich wartete!
    »Lieber Himmel – ich sollte dich nicht so lange wach halten«, meinte Jonathan schuldbewusst. »Ich hole schnell den Stadtplan, damit wir sehen können, wo diese Kanzlei liegt. Vielleicht kannst du mit der U-Bahn fahren. Die U-Bahn-Station ist gleich um die Ecke.«
    Als ich am nächsten Morgen vor der imposanten Gebäudefront stand und die fein genarbte Ledermappe umklammerte, die Dr. Weydrich mir als »kleine Aufmerksamkeit« zusammen mit den Papieren geschickt hatte, war ich ziemlich nervös. Einen Moment lang musste ich gegen den Wunsch ankämpfen, Dr. Weydrich dies alles überlassen zu haben. Doch dann holte ich tief Luft – und stieß die gläserne Tür auf.
    Der polierte, hellgraue Granit der Eingangshalle glänzte so makellos, dass man zögerte, ihn mit profanen Straßenschuhen zu betreten. Der zuständige Pförtner residierte in einer Art Kristallkuppel und beobachtete von dort aus misstrauisch, wie ich quer durch die Halle auf die Aufzüge zusteuerte.
    »Einen Moment, bitte!« Die körperlose Stimme klang höflich, ließ aber keinen Zweifel daran, dass sie Stopp, sofort stehen bleiben! meinte. Ich drehte mich um und sah den Mann über ein Mikrofon gebeugt stehen, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Sind Sie angemeldet?«
    Er überprüfte meine Angabe tatsächlich noch einmal, griff zu einem Telefonhörer und ließ sich meinen Termin bestätigen. Nickte und sagte dann betont langsam und deutlich – offensichtlich hatte man ihm gesagt, dass ich Ausländerin war: »Fahren Sie bitte in den achten Stock. Man wird Sie dort erwarten.«
    Tatsächlich lächelte mich, sobald die Aufzugtüren beiseite glitten, eine etwas nervös wirkende mittelalte Dame an und bat mich, ihr zu folgen. Ihr Kostüm glich denen, die ich früher in der Bank getragen hatte, und plötzlich fühlte ich eine geradezu überwältigende Erleichterung, dieser Tretmühle entronnen zu sein. Ein paar Jahre noch, und ich wäre ihr Spiegelbild gewesen.
    Der Raum, in den sie mich führte, erinnerte an alte Schwarzweißfilme mit Charles Laughton. Die Ledergarnitur, die deckenhohen Bücherregale, der geschnitzte Schreibtisch, bei dem man sich fragte, wie viele Möbelpacker wohl für seinen Transport nötig gewesen waren – alles wirkte wie eine Filmkulisse.
    Drei Männer standen vor dem Fenster und schauten mir abwartend entgegen. Der kleinste von ihnen reagierte als Erster, trat auf mich zu, begrüßte mich höflich und stellte sich selbst als Dr. Weydrichs Partner vor. Ich musterte die beiden anderen neugierig. Der kleine Dicke konnte nicht Mark Abernathy sein. Nur der ständige Aufenthalt in geschlossenen Räumen vermochte eine solch auffallende Blässe zu erhalten. Er wirkte, als würde er jeden Sonnenstrahl ängstlich meiden.
    Also musste es der große sein. Neben den beiden anderen, die er um mehr als einen Kopf überragte, wirkte er noch

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