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Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wahl
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künstlicher Vulkan war. Die auffälligen Farben imitierten überraschend gut die Magmaströme.
    Es gab einen Strandgarten, einen verlassenen Garten, einen Küchengarten, sogar einen Gefängnisgarten – was auch immer sich die Gartenplaner dabei gedacht hatten.
    Angetrieben von den » Please move «-Rufen stiegen die Besucher vor mir widerwillig von der Aussichtsplattform. Ich nutzte den Abstieg, um mir schnell einen groben Überblick über das restliche Gelände zu verschaffen. Den Höhepunkt der Chelsea Flower Show , die Grand Marquee , wollte ich mir bis zuletzt aufsparen. Erst gegen Tagesende, wenn die auswärtigen Besucher zu ihren Zügen und Bussen aufbrechen mussten, hatte man laut Jonathan die Möglichkeit, dort auch einmal stehen zu bleiben.
    Um die Grand Marquee , einen riesigen Zeltbau, gruppierten sich weitere Stände zur Gartengestaltung, -möblierung und -Verschönerung. Ich begann zu zweifeln, ob ich alles an einem Tag erfassen konnte. Gut, dass ich eine Dauerkarte hatte!
    Meine schmerzenden Füße und mein knurrender Magen verdeutlichten mir zwei Stunden später, dass mein Körper Bedürfnisse hatte, die befriedigt werden mussten.
    Die Champagner-Lounge ließ ich links liegen, das Publikum dort zahlte die horrenden Preise auch für das Privileg, unter sich bleiben zu dürfen. Wenn ich schon in London war, mussten es natürlich Fish & Chips sein! Beim erneuten Anstehen überlegte ich, dass es ein so diszipliniertes Warten wahrscheinlich nur in England gab; in jedem anderen Land würde solch exzessives Schlangestehen sicher zu Tumulten führen. Ich nahm nur Fish & Chips, obwohl ich kurz mit dem Gedanken spielte, die Peas für einen erstaunlich günstigen Preis dazuzunehmen, und tat es dann den vielen erschöpften Menschen gleich, die sich einfach auf den Rasenflächen niederließen, wo ein Plätzchen frei war. Um der Authentizität willen hätte ich natürlich auch Essig über meine Chips schütten müssen, aber es tat mir um die knusprigen Kartoffelschnitten leid. Während ich mit dem Holzgäbelchen mühsam in meinem Fischfilet stocherte und versuchte, mit diesem unpassenden Gerät etwas davon in meinen Mund zu balancieren, beobachtete ich mit Grausen eine ältere Frau neben mir, die ihre Chips in eine giftgrüne Matsche tauchte und sie dann genüsslich verzehrte.
    Es brauchte einige Sekunden, bis mir klar wurde, dass dieser unappetitliche Brei die Peas sein mussten. Glück gehabt … Viel Zeit zum Erholen blieb mir nicht; sogar die Plätze auf dem Rasen schienen heiß begehrt. Ich entsorgte meinen Müll in einem überquellenden Plastiksack und überließ meinen Sitzplatz einem älteren Herrn.
    Es wurde schon kühler, als die Gänge in der Grand Marquee sich endlich so weit geleert hatten, dass ich mich hineintraute.
    Der Anblick übertraf alle meine Erwartungen. Wie verzaubert wanderte ich durch einen Dschungel von etwa fünfundzwanzig Quadratmetern, der geradezu überquoll vor Farnen aller Art, von baumhohen bis zu winzigen Exemplaren in Steinritzen. Bewundernd stand ich vor einem Wald aus übermannshohem Rittersporn und Riesenbällen, die aus Duftwicken zusammengesteckt worden waren, steckte meine Nase andächtig in alle die riesigen Lilienblüten, die ich erreichen konnte, und staunte über die Fachkenntnisse und die Technik, die es ermöglichten, sämtliche Frühjahrszwiebelblumen gleichzeitig zum Blühen zu bringen.
    Die Rosenspezialisten trumpften mit eindrucksvollen Anlagen auf, in denen man zwischen alten Rosenbüschen geradezu verschwinden konnte. Üppig blühende Fuchsienberge ragten an den Ecken auf und erleichterten die Orientierung.
    In der überwältigenden Fülle fielen die Spezialisten durch Bescheidenheit auf:
    Auf einem Tisch von der Größe eines normalen Küchentisches hatte ein Primelzüchter seine Prachtexemplare auf Würfeln aus schwarzem Samt aufgebaut. Die Angestellten trugen schwarze Bowler-Hüte und vermittelten den Eindruck, etwas überaus Kostbares anzubieten. Vermutlich taten sie das auch. Ich erinnerte mich, in einem Katalog Leberblümchen aus japanischer Zucht für mehrere hundert Euro gesehen zu haben. Die meisten Menschen bleiben bei ihrer Sammelleidenschaft aber im Normalbereich. Auch ich hätte nicht ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, die unwahrscheinlich schöne, weinrot gefleckte Cattleya zu erstehen, die ein paar Tische weiter für eine astronomische Summe angeboten wurde. Aber ich hatte ja noch eine andere Möglichkeit. Der Züchter sprach zwar etwas heiser,

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