Schwarzer Purpur
persönlicher Geschmack ist da unwichtig.«
Die bläuliche Ader zeichnete sich inzwischen deutlich sichtbar gegen die braune Haut ab.
»Haben Sie überhaupt irgendeine Ahnung von Pflanzenzüchtung, oder sind Sie nur bei Ungewöhnlichem so ignorant?«
»Ich muss nichts von Pflanzen verstehen. Mich interessieren nur die finanziellen Möglichkeiten«, stellte ich klar – und merkte auf einmal, wie viel Spaß es mir machte, meine Rolle als zickige Dollarprinzessin zu spielen. Dem Bild zu entsprechen, das mein Gegenüber sich von mir machte, war eine bedeutend bessere Tarnung als jedes Kostüm oder jede Uniform. Ich trug sie quasi unsichtbar.
Die echte Verena hätte niemals jemanden wie Mark Abernathy herausgefordert. Und wäre auch nie so erfolgreich damit gewesen: Momentan schien er mir gefährlich nahe daran, die Beherrschung zu verlieren. Vielleicht war es besser, ein wenig Entgegenkommen zu zeigen.
»Schauen wir uns Ihre Pflanzen doch einfach einmal gemeinsam an«, schlug ich versöhnlich vor. »Tun Sie etwas gegen meine Ignoranz.«
Er reagierte nicht gerade begeistert, nickte eher mürrisch und meinte: »Also gut, möglicherweise hilft es ja …«
Wie ein Eisbrecher schob er sich durch die Massen, die seinen Stand umlagerten, und ich folgte seinem breiten Rücken, kräftig und solide wie ein Baumstamm, zur Vorderseite, die als Hauptschauseite konzipiert war.
Ein älterer Angestellter winkte ihm verzweifelt zu. »Warten Sie einen Moment«, sagte er hastig und kämpfte sich zu ihm durch. Ich versuchte, mich nicht abdrängen zu lassen, trat unter einen überhängenden Busch, den ich für einen dunklen Perückenstrauch hielt, und betrachtete Abernathys Lieblinge mit kritischem Blick.
Wie Monika gesagt hatte: wirklich schwarz war keine dieser Pflanzen, obwohl zumindest manche Buntnessel-Spielart mit bloßem Auge so erschien. Am nächsten kamen dem Ideal vermutlich die fast schwarzen Lupinen und das kriechende Gras Ophiopogon . Aber reines Schwarz ist als Farbe in der Pflanzenwelt nicht vorgesehen. Wenn man genauer hinsieht, ist es immer nur eine Schattierung einer anderen Farbe. Bei Akeleien, Petunien, Primeln und Stiefmütterchen war es ein tiefes Dunkelviolett. Bei den Sonnenblumen und dem Laub des Schneefelberichs eher ein Dunkelbraun, während das satte Purpur bei Bartnelken und Mohn im Sonnenlicht geradezu glühte. Auch das Basilikum Purple Ruffles mit seinen gerüschten Blättern würde nur im Halbdunkel schwarz erscheinen. Bei seiner Spielart des Neuseelandflachs, dem Schlangengras und der Tradescantie Purple Heart war die Grundfarbe eine Mischung aus Braun, Rot und Violett – schwer einzuordnen. In dem durch die Zeltplanen gedämpften Sonnenlicht wirkten die Farben etwas stumpf, aber ich konnte mir vorstellen, dass sie in der Dämmerung oder auch in der Mittagssonne einen spektakulären Anblick boten. In Gedanken kombinierte ich das Schlangengras mit Madonnenlilien, den dunklen Mohn mit schneeweißen und goldenen Iris, die Tradescantie mit meinen zartfarbenen Orchideen – ja, die Effekte, die sich damit erzielen ließen, würden sicher Aufsehen erregen.
Mark Abernathy hatte die Probleme seines Mitarbeiters offensichtlich gelöst und wandte sich nun wieder seinem eigenen zu: mir. »Meine Favoriten sind diese hier.« Er packte meinen Ellenbogen, und zog mich vor den Korb mit den blauschwarzen Duftwicken im Zentrum des Standes. »Riechen Sie einmal«, befahl er.
Gehorsam näherte ich meine Nase dem luftigen Kuppelbau – und war überrascht von der Stärke des süßen Duftes. Ich hätte von diesen düsteren Blumen keinen solchen Duft erwartet.
»Ein paar Zweige davon in die Vase und das ganze Zimmer duftet.«
»Sie haben tatsächlich einen wundervollen Duft«, gab ich zu. »Hängt der mit der Farbe zusammen, oder haben Sie den als Extrabonus eingebaut?«
Abernathy musste lachen. Dabei veränderte sich sein Gesicht völlig: Das finstere Grau verwandelte sich in ein strahlendes Graublau, als die Lachfältchen ihr Dasein rechtfertigten. Der verkniffene Zug um den Mund löste sich. Er hatte einen schönen Mund.
»Bei meinem Black Monk kommt er von einem Großelternteil. Ich habe die echte sizilianische Duftwicke mit hineingenommen, und es hat sich gelohnt. Daher der leicht violette Ton bei älteren Blüten.«
Er wies auf eine Schale mit Bartnelken. »Die sind auch so ein Fall. Eine Auslese, bei der ich dann den Geruch verstärken konnte durch Einkreuzen von – aber das verstehen Sie ja doch nicht.
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