Schwarzer Purpur
Führen sollte der Mann, also lass ihm das Vergnügen.«
Die Tanzstunde begann gerade mir Spaß zu machen, als Jonathan mich schon ins Bad scheuchte. Seine Vorsicht war berechtigt, denn meine ungeübten Finger kämpften verzweifelt darum, den Effekt, den Samantha so mühelos hingewischt hatte, auch nur annähernd zu erreichen. Nachdem ich zum dritten Mal von vorne begonnen hatte, klopfte er besorgt an die Badezimmertür und reichte mir fürsorglich eine Tasse Tee und einen Teller mit Gurkenschnittchen hinein: »Damit du wenigsten eine Grundlage hast.«
Die melodische Türklingel kündigte Mark Abernathy an, und prompt verschmierte ich die Wimperntusche in einem breiten, schwarzen Streifen. Verdammt, warum war ich so nervös? Jonathans Stimme mischte sich mit Marks, aber ich konnte nicht verstehen, was sie sprachen. Es klang nach höflichem Smalltalk. Fast wäre mir Alfons’ kostbare Rosenessenz ins Waschbecken gefallen. Ich tupfte ein paar Tropfen davon auf die Schläfen, hinter die Ohren und nach einem Moment des Zögerns zwischen meine Brüste. Der blumige, verführerische Duft umgab mich wie ein kostbares Parfüm.
Hastig befestigte ich die schweren Ohrgehänge; die komplizierte Schließe des Colliers hakte jedoch, und so begnügte ich mich damit, die Handschuhe überzustreifen und eilte schließlich ins Esszimmer, wo die beiden Männer mir einträchtig entgegenblickten. Ich registrierte mit Genugtuung, dass Abernathys Augen sich weiteten, als er mich in meinem granatroten Abendkleid sah.
»Guten Abend, Mr. Abernathy. Entschuldigen Sie, dass ich Sie warten ließ. – Jonathan, könntest du …?« Ich hielt ihm bittend das Collier hin.
Er nahm es, zögerte dann einen Augenblick und warf schließlich Mark einen fragenden Blick zu: »Vielleicht möchten Sie ihr behilflich sein?«
Ohne zu zögern nahm er das Schmuckstück, kam dann zu mir herüber und begrüßte mich mit einem altmodischen Handkuss. »Auf einen solchen Anblick warte ich gerne!«, murmelte er, ohne mich aus den Augen zu lassen, trat hinter mich, und im nächsten Moment fühlte ich warme Finger an meinem Hals. Das Collier glitt kalt und schwer über meine Haut, aber ich nahm nur die Wärme der Berührung in meinem Nacken wahr. Das Ganze dauerte nur Sekunden. Trotzdem stellten sich die kleinen Härchen auf meiner Haut auf, ein leichter Schauer überlief mich.
»Dann wünsche ich viel Spaß.« Jonathan zwinkerte mir aufmunternd zu. »Und denk daran: Immer auf die Füße achten!«
Ehe ich mich versah, saß ich im Taxifond neben Mark Abernathy. »Ihr Freund Jonathan macht wirklich einen sehr netten Eindruck«, stellte er etwas steif fest. »Aber was hat er damit gemeint, dass Sie auf die Füße achten sollen?« Ich musste kichern. »Er war so nett, mit mir zu üben, weil ich ewig lang nicht getanzt habe.« Ich sah keinen Grund, wieso ich erläutern sollte, dass es sich bei meiner tänzerischen Erfahrung um Ballett handelte. So klang es besser.
»Dann bin ich gespannt auf heute Abend«, meinte mein Begleiter mit einem leicht skeptischen Unterton, »ich nämlich auch nicht. Und ich habe nicht geübt …«
Der Empfang der südenglischen Staudenzüchter entpuppte sich als eine gesellschaftliche Veranstaltung ersten Ranges. Bereits der Portier in seiner historischen Uniform schüchterte mich mit seiner steinernen Miene ein. An Mark Abernathys Arm meisterte ich die lange, geschwungene Prunktreppe ins Obergeschoss aber ohne peinliche Zwischenfälle und stand plötzlich in einem Saal von fürstlichen Ausmaßen. Die Bühne, auf der – wie man an den Instrumentenkästen sehen konnte – später die Kapelle spielen würde, war noch für diverse Redner mit Pult, Leinwand und Projektoren versehen. Riesige Blumengestecke in allen Farben prangten an den Längswänden und trennten die für die Teilnehmer in Gruppen aufgestellten kleinen Tische. Das Büfett war gleich neben dem Eingang aufgebaut. Den Innenbereich hatte man als Tanzfläche freigelassen. Von der Größe zu urteilen, die man ihr zugestanden hatte, waren die Staudenzüchter eifrige Tänzer.
»Hallo, Mark, schön dich zu sehen«, brummte ein grauhaariger älterer Mann, dessen schwarzer Anzug an den Aufschlägen etwas glänzte, und schüttelte ihm herzlich die Hand. »Wie geht es zu Hause?« Er schien nicht mehr als ein oberflächliches »Danke der ‘Nachfrage, den Umständen entsprechend« zu erwarten, schüttelte bedauernd den Kopf und verschwand nach einem neugierigen Blick auf mich in der
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