Schwarzer Purpur
offensichtlich übertrieben, also habe ich ihm erzählt, ich hätte anschließend eine Verabredung«, erwiderte ich, bei der Erinnerung immer noch erbost.
»Was? Tickt der noch ganz richtig?« Jonathan war zutiefst empört. »Am besten erzählst du hübsch der Reihe nach. Wo habt ihr gegessen?«
Ich stellte die Blumen rasch in ein Glas mit Wasser, hockte mich auf die freie Ecke des Küchentischs und beobachtete Jonathans flinke Finger, die den Salatkopf in kleine Stücke zupften.
»Wir waren im Chelsea Physic Garden picknicken, und anschließend hat er ihn mir gezeigt«, fasste ich den Nachmittag kurz zusammen und griff nach einer Cocktailtomate. Jonathans scharfer Blick schoss für einen Moment von seiner Tätigkeit zu mir herüber, zu den Blumen, die ich auf die Anrichte gestellt hatte, und konzentrierte sich wieder auf den Salatkopf.
»Hmm … was habt ihr denn gegessen?«
»Lachsbrötchen, Sandwichs, Shrimpsalat, Kresseschnittchen, Käsetörtchen und Prosecco«, zählte ich brav auf.
»So, so.« Jonathan hob nachdenklich die Brauen. »Das klingt, als hätte er sich viel Mühe gemacht. Einfach so?« Der ostentative Zweifel in seiner Stimme war zugleich unausgesprochene Frage. Ich tat gar nicht so, als verstünde ich nicht, worauf er hinauswollte.
»Ich bin mir nicht sicher. Wir streiten eigentlich immer. – Es kann sein, dass ich falsch reagiert habe. Aber … ich weiß überhaupt nichts mehr«, seufzte ich unglücklich. Ich wollte Jonathan nicht von dem aufregenden Moment erzählen, in dem Mark mein Ohr berührt hatte. Aber der wissende Blick, den er mir zuwarf, zeigte, dass er mehr von meinem Geisteszustand ahnte, als mir lieb war.
»Immerhin hat er mich gefragt, ob ich ihn morgen Abend zum Empfang der Staudenzüchter begleite«, versuchte ich abzulenken.
»Na also, dann hat er ja doch noch nicht aufgegeben. Und du hast zugesagt?« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Ich nickte.
»Magst du ihn?« Jonathans schlichte Frage brachte mich in echte Bedrängnis. Mochte ich ihn? Ja, es war ein berauschendes Gefühl, in Mark Abernathys Nähe zu sein, mit ihm die Klingen zu kreuzen … aber gleichzeitig ängstigte mich gerade die Intensität dieser Empfindung. Er zog mich magnetisch an, und die Stärke dieser Anziehung ließ mich paradoxerweise erst recht zurückschrecken. Die Unsicherheit darüber, auf was ich im Begriff war mich einzulassen, ließ mich zwischen Wollen und Wünschen hin und her schwanken. Wollte ich den Mann wirklich – oder wünschte ich mir nur etwas, weil ich tief in meinem Inneren sicher war, es nicht bekommen zu können?
»Du magst ihn«, beantwortete Jonathan seine eigene Frage und nickte weise mit dem Kopf. »Sonst wärst du nicht immer noch unsicher, ob du jetzt ins kalte Wasser springen sollst oder nicht.«
Ich musste lachen. »Woher kennst du dich so gut mit konfusen Gefühlen aus?« Meine unbedachte Frage bereute ich in dem Augenblick, in dem ich Jonathans traurige Augen sah. Ich hatte unwissentlich an alte Wunden gerührt. »Es tut mir leid«, murmelte ich und hätte mir am liebsten die Zunge abgebissen.
»Schon gut, es ist lange her«, sagte er wehmütig. »Aber ich verstehe dich besser, als du denkst. Hast du das Foto auf der Kredenz gesehen? Als Sebastian und ich uns kennen lernten, war ich noch nicht sicher, was ich wollte. Deshalb machte es mir Angst, dass er es so genau zu wissen schien. Ich werde nie sein Gesicht vergessen, als ich ihm sagte, wir müssten auf unsere Familien Rücksicht nehmen und uns trennen. Er wusste genau, dass ich das nur vorschob.« Jonathan hing einen Moment seinen Erinnerungen nach, bevor er weitersprach. »Zwei Monate später verunglückte er mit dem Motorrad in Schottland. Die Polizei sagte, dass es ein Unfall war, aber ich habe nie aufgehört mich zu fragen, ob das wirklich stimmte …«
Wieder schwieg er einen Augenblick. »Und das Ironische an der Geschichte ist, dass mir erst da klar wurde: er wäre der Richtige für mich gewesen. Wir waren wie zwei Hälften eines Ganzen – aber es war zu spät.« Unauffällig wischte er sich mit einem makellosen Hemdsärmel über das Gesicht und wandte sich energisch der Salatsauce zu. »Wasch dir die Hände, Liebes, und komm essen. Ich bin sofort fertig«, verkündete er, das Thema abschließend.
Natürlich kam er spätestens bei den Erdbeeren in Mascarponecreme wieder auf sein neues Lieblingsthema zurück. »Du brauchst ein anständiges Kleid für den Empfang.«
Ich war der Ansicht, dass
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