Schwarzer Purpur
Menge.
Was bedeutete »den Umständen entsprechend«? Ich hätte gerne gefragt, aber sowohl meine Erziehung als auch Abernathys abweisende Haltung hielten mich davon ab.
Schrittweise kämpften wir uns zu den reservierten Tischen an der hinteren Wand durch. Einige Paare und einige Grußaufträge weiter wusste ich, dass seine Eltern John und Millicent hießen, seine Großmutter noch lebte und sich offenbar bester Gesundheit erfreute und dass die Familie Abernathy über einen großen Bekanntenkreis verfügte. Ich verlor den Überblick, wie viele Hände ich geschüttelt und wie viele Male ich »Nice to meet you« gemurmelt hatte.
Abernathy stellte mich stets als »my German partner« vor, und ich erntete zahlreiche neugierige Blicke. Einige davon offen feindselig, einige ablehnend, einige befremdet, als sei man überrascht, mich hier zu sehen.
Was hatte Abernathy sich dabei gedacht, mich hierher einzuladen? Es war offensichtlich, dass seine Bekanntschaft mich nicht gerade mit offenen Armen empfing. Ich begann schon, meine unbedachte Zusage zu bedauern, und legte mir in Gedanken die passenden Worte zurecht, mit denen ich seine Gedankenlosigkeit oder besser Rücksichtslosigkeit kritisieren würde, sobald wir endlich an unserem Ziel angelangt wären. »O nein, nicht die!«, hörte ich meinen Begleiter gerade noch stöhnen, als auch schon eine Naturkatastrophe in Kobaltblau und Gold über uns hereinbrach.
»Mark, mein Junge, ich habe dich schon überall gesucht. Hier, das musst du unbedingt ausprobieren …« Mit diesen Worten zog sie einen mehrfach gefalteten Briefumschlag aus dem voluminösen Goldlamébeutel, den sie wie eine Trophäe vor sich her trug. »Ich habe sie von einem Exemplar, das mein Gärtner für viel versprechend hält. – Ich weiß, ich weiß, es gibt schon viele dunkle Taglilien, aber diese ist etwas Besonderes. So blüht sie …« Blitzschnell zog sie ein abgegriffenes Foto aus den Tiefen des Beutels und hielt es Mark unter die Nase. Der nahm es ihr mit einem gemurmelten »Erlauben Sie?« aus den dicken, ringgeschmückten Fingern und betrachtete es mit mäßigem Interesse. Ich sah von der Seite her nur die unscharfe Aufnahme eines grünen Büschels mit einigen dunklen Flecken.
»Sehr interessant, Lady Sandworth! Vielen Dank für die Saatprobe«, versuchte Mark sich ihr zu entwinden. Aber die Dame dachte gar nicht daran, ihr Opfer fliehen zu lassen. Stattdessen packte sie ungeniert seinen Ärmelaufschlag und fragte mit einem anzüglichen Augenzwinkern in meine Richtung: »Willst du mir gar nicht deine kleine Freundin vorstellen? Ich bin sicher, Millie ist entzückt von ihr …?« Dem falschen Tonfall nach würde das Gegenteil der Fall sein. Als bisher Einzige schien sie nichts von unserer Geschäftsbeziehung zu wissen, sondern mich für eine neue, unbekannte Freundin zu halten. Aber Mark Abernathy zuckte mit keiner Wimper, als er mich dichter neben sich zog und mit gelangweilter Stimme murmelte: »Darf ich Ihnen Verena Naumann vorstellen, Lady Sandworth?« Ihre sorgfältig gezupften und dunkel gefärbten Augenbrauen schossen hoch und die wässrigen Augen blitzten boshaft. »Na so was! Das klingt deutsch.« Sie reichte mir herablassend eine dickliche, feuchte Hand und näselte »How do you do?«, nur um Abernathy dann an mir vorbei zu fragen: »Spricht sie Englisch, oder wie verständigt ihr euch?«
»Meist sprechen wir nicht«, strahlte ich sie an und bemühte mich um einen möglichst starken Akzent. Mein Kavalier zog scharf den Atem ein, und sein Griff um meinen Ellenbogen wurde unangenehm fest. »Einen schönen Abend noch, Lady Sandworth. Ich werde Ihre Grüße ausrichten.«
Als ich zurückblickte, stand sie immer noch mit offenem Mund auf derselben Stelle und starrte uns nach.
»Mussten wir ausgerechnet der begegnen?«, seufzte Abernathy und führte mich entschlossen zu einem der kleinen Tischchen. Seine Schultern zuckten von unterdrückter Heiterkeit, als er mir den Stuhl zurechtrückte. »So sprachlos habe ich die alte Fregatte noch nie erlebt! Wo haben Sie nur diesen absolut scheußlichen Akzent aufgeschnappt?«
»Im Stanstead-Express. – Warum haben Sie mich hierher geschleift? Die Hälfte der Leute, denen Sie mich vorgestellt haben, hätte mich am liebsten sofort wieder vor die Türe gesetzt«, sagte ich anklagend.
Ein dunkler Hauch überzog seine glatt rasierten Wangen. »Es tut mir leid, dass sie das so deutlich gezeigt haben. Ich habe bisher wohl ein bisschen zu viel auf Sie und
Weitere Kostenlose Bücher