Schwarzer Purpur
gegenseitig versichern zu müssen, dass es alles nichts zu sagen hätte, trieb mich dazu, vorsichtig vom Futon zu gleiten, meine Kleider zu ergreifen und mich im Bad anzuziehen.
Im Spiegel sah mir ein blasses Gesicht mit verschmierter schwarzer Wimperntusche entgegen. Die schwarzen Spuren konnte ich mit etwas Duschöl entfernen, gegen das blasse Gesicht war nichts zu machen. Ich sah aus wie ein übernächtigtes Groupie. In meiner Hast verzichtete ich sogar auf eine Dusche, rieb mich nur mit einem nassen Waschlappen ab.
Einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, ein Hemd und eine Hose von Mark zu leihen, damit ich nicht im Abendkleid quer durch die Stadt fahren müsste. Aber dazu hätte ich ins Schlafzimmer zurückgehen müssen. Also verzichtete ich darauf, schlich auf Zehenspitzen durch den Gang und zog so leise wie möglich die Wohnungstür hinter mir zu.
Erst im Treppenhaus fiel mir ein, dass ich ihm wenigstens einen Zettel hätte hinterlassen können. Zu spät.
Es war nicht so einfach, in den morgendlich leeren Straßen ein Taxi zu finden. Erst nach einer Viertelstunde traf ich auf eins, das einen späten Partygänger vor seinem Haus absetzte. Erschöpft sank ich in den Fond und freute mich auf ein ausgiebiges Bad in Jonathans orientalischem Badezimmer.
Kapitel 6:
Küchengeheimnisse
Als ich aus dem Wagen stieg, war die Straße bis auf einen einzelnen Zeitungsausträger verlassen. Im Aufzug suchte ich nach dem Wohnungsschlüssel, den Jonathan mir mitgegeben hatte, und versuchte so leise wie möglich die Tür aufzuschließen. Jonathan lag sicher noch im Tiefschlaf. Ich hatte Zeit genug, mich in einen präsentablen Zustand zu versetzen, ehe ich ihm gegenübertreten musste – dachte ich.
Gerade hatte ich mit der Präzision eines Einbrechers die Tür ins Schloss gezogen, als lautes Klirren und ein unterdrückter Fluch aus der Küche mich zusammenfahren ließen. Fassungslos starrte ich auf Jonathan, der neben dem Herd kniete und mit der linken Hand versuchte, die Scherben der Tasse aufzusammeln, die er fallen gelassen hatte. Die Rechte, die in einer Schlinge vor seiner Brust hing, steckte in einem Angst einflößenden Verband.
»Jonathan, was ist passiert? Was hast du mit deiner Hand gemacht?«, fragte ich und zog ihn hoch. »Lass liegen, ich räume das schon weg.«
Er verzog sein blasses Gesicht zu einem schiefen Grinsen, während er auf den Stuhl sank, den ich ihm hinschob, und sagte: »Ich habe überhaupt nichts mit meiner Hand gemacht. Das musst du die Skinheads fragen.«
»Bist du überfallen worden?«, fragte ich besorgt.
»So nennt man das ja wohl«, erwiderte er in schärferem Ton, als ich je von ihm gehört hatte, und das verdeutlichte nur, dass er ziemliche Schmerzen haben musste.
»Kann ich dir irgendwie helfen? Hast du ein Schmerzmittel? Ich hole es dir.« Er tat mir schrecklich leid. Die scharfen Linien in seinem rundlichen Gesicht passten nicht zu ihm. Jonathan wirkte so müde und leblos, dass ich in der Sorge um ihn völlig vergaß, dass ich ebenfalls etwas mitgenommen aussehen musste.
»Schmerzmittel haben sie mir reichlich mitgegeben«, er wies mit dem Kopf auf eine Papiertüte neben sich. »Ich wollte gerade Tee machen, aber ich bin mit der linken Hand nicht sehr geschickt. Sei so gut und mach uns beiden eine schöne Tasse Tee – dann werden wir gemeinsam unsere Wunden lecken und uns gegenseitig trösten.«
Ich hätte wissen können, dass mein Zustand seiner scharfen Beobachtung nicht entgangen war.
»Weißt du, wer die Kerle waren?«, fragte ich, während ich das Wasser aufsetzte und den Tee in das Teenetz löffelte.
Er zuckte fatalistisch mit den Schultern: »Irgendwelche Skinheads. Der Arzt in der Notaufnahme meinte, ich könnte mir eine Anzeige sparen – die Polizei würde die nur als Zeitverschwendung betrachten. Großstadtrisiko. Ich könnte froh sein, dass ich so gut davongekommen wäre.«
Ich war empört. »Du meinst, die Polizei würde nicht einmal versuchen, sie zu finden?«
»Wahrscheinlich nicht«, bestätigte Jonathan mit sichtlich erzwungener Gelassenheit. »Es würde heißen, dass man mit solchen Dingen rechnen müsste – in meinen Kreisen. Als ob es unter Schwulen üblich wäre, sich gegenseitig die Hand zu brechen!«, fügte er verbittert hinzu.
»Wieso haben sie dir die Hand gebrochen?«, fragte ich verständnislos.
»Ach, sie hätten mir vermutlich noch mehr gebrochen. Der Anführer stand nur darauf, damit ich nicht weglaufen konnte. Ich hatte das Glück, dass
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