Schwarzer Purpur
ein paar Träger vom Fischmarkt vorbeikamen …« Er verstummte. Beide malten wir uns aus, was passiert wäre, wenn diese Männer nicht eingeschritten wären. Sie hatten ihn sogar, wie Jonathan weiter berichtete, in das nächstgelegene Krankenhaus gebracht, wo eine starke Quetschung und der Bruch eines Mittelhandknochens festgestellt worden waren.
Seine ungeschickte Art, die Teetasse mit der linken Hand zu halten, verdeutlichte, dass er für die nächste Zeit ziemlich hilflos wäre. »Hast du jemanden, der hier einziehen und dir helfen könnte?«
Jonathan grinste etwas schief und meinte, da sei schon jemand, der nur darauf wartete – aber eigentlich würde er den nicht so gerne bei sich einziehen lassen. »Das Problem ist: Wie werde ich ihn wieder los?«, erläuterte er mir seine Bedenken.
Eigentlich war ich darauf eingestellt gewesen, heute Nachmittag zurückzufliegen, zurück in mein sicheres Nest bei Blütenzauber, in meine überschaubare Welt ohne große Probleme oder Überraschungen. Aber ich stand nicht nur in Jonathans Schuld, ich mochte ihn auch sehr gerne. Und er brauchte mich. Zum ersten Mal in meinem Leben brauchte jemand mich wirklich. So konnte ich ihn auf keinen Fall allein lassen. Ich holte tief Luft und fasste meinen Entschluss. »Gut, dann werde ich hier bleiben, wenn es dir recht ist«, verkündete ich mit fester Stimme.
»Und ob es mir recht ist!« Jonathan wirkte ausgesprochen erleichtert. »Ich hatte nur Hemmungen, dich direkt zu fragen. Du siehst nämlich eigentlich aus, als könntest du es nicht erwarten, hier wegzukommen.«
Vor Jonathan konnte man nichts verbergen.
»Lass mir Zeit, zu duschen und mich umzuziehen, dann versuche ich mich an einem Frühstück«, versprach ich, seine letzte Bemerkung ignorierend.
Statt des im Taxi noch erhofften luxuriösen Bades duschte ich so rasch wie möglich und kehrte in Jeans, ein Handtuch um den nassen Kopf gewickelt, zu ihm zurück. Jonathan saß immer noch am Küchentisch, grau im Gesicht, und bemühte sich, mit der linken Hand das Fläschchen mit den Schmerztabletten zu öffnen. Sein Anblick überzeugte mich, dass mein spontaner Entschluss richtig gewesen war. Er hatte es zwar geschafft, sich eine bequeme Hausjacke im Kimonostil überzuziehen, aber das satte Weinrot betonte seine ungesunde Blässe und ließ ihn älter und kränker aussehen.
Ich nahm ihm sanft den Behälter aus der Hand, schraubte ihn auf und stellte ihm ein Glas Wasser hin.
»Danke, Schwester Verena. – Meinst du, du könntest uns ein paar Toasts rösten? Du solltest auch etwas essen.«
Obwohl ich keinen Appetit hatte, briet ich Rühreier mit Schinken, steckte ein paar Scheiben Toastbrot in den Toaster und setzte mich dann ihm gegenüber. Der eigentlich appetitliche Duft, der von meinem Teller aufstieg, bereitete mir Übelkeit. Mein Magen weigerte sich, Essen aufzunehmen. Das kannte ich von früher: Wenn ich sehr aufgeregt war oder vor etwas große Angst hatte, konnte ich einfach keinen Bissen hinunterbringen. Ich legte die Gabel wieder hin und schob den Teller unauffällig ein Stück von mir weg.
»Vielleicht ist es besser, du erzählst mir, was dich bedrückt«, sagte Jonathan leise. »Habt ihr gestritten?«
»Nein! Ich meine, wir haben nicht gestritten … aber ich kann einfach nicht darüber sprechen.« Ich brachte es wirklich nicht über mich. Es war albern, geradezu psychotisch – in einer Zeit, in der kein Problem zu intim war, um es in Talkshows zu besprechen, konnte ich nicht über meine Beziehung zu Mark reden, von der ich nicht einmal zu sagen wusste, ob es überhaupt eine Beziehung war?
Die kostbaren Stunden mit ihm kamen mir inzwischen unwirklich vor. Ein Traum, der sich nicht erfüllen konnte. Es war einfach unwahrscheinlich, dass mir so etwas widerfahren sollte. Sicher war Mark inzwischen froh, dass ich so dezent verschwunden war … aber in meinem Inneren hoffte ich so unvernünftig wie verzweifelt, dass es vielleicht doch nicht nur der Alkohol und unsere aufgestauten Triebe gewesen waren. Dann würde er vielleicht anrufen, mich bitten, meinen Aufenthalt zu verlängern, damit wir uns besser kennen lernen könnten … Dafür hatte er allerdings nicht mehr viel Zeit. Er wusste, dass ich heute Mittag abreisen wollte. Er wusste, wo ich mich aufhielt. Sicher war es nicht schwierig, Jonathans Telefonnummer herauszufinden. Inzwischen musste er aufgewacht sein. Wenn er nicht anrief, bedeutete das, er war froh mich los zu sein.
Ich spürte, wie meine Augen feucht
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