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Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wahl
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wurden, und ich zwinkerte, aber sie flössen bereits über. Eine dicke Träne zog ihre Spur über meine Wange.
    »So schlimm kann es doch gar nicht sein«, versuchte Jonathan mich zu trösten und reichte mir ein sauberes Stofftaschentuch. »Als ihr beiden gestern Abend aufgebrochen seid, sah die Sache in meinen Augen ganz gut aus. Was ist denn schief gegangen?«
    Die simple Frage öffnete die Schleusen endgültig. Ich legte den Kopf auf die Arme und schluchzte hemmungslos wie seit Jahren nicht mehr. Jonathan saß schweigend bei mir, strich mir nur hin und wieder über die Hand, wie um zu zeigen, dass er da war, bereit mir beizustehen, sobald ich ihn brauchte.
    Als ich endlich meine verschwollenen Augen wischte und mir energisch die Nase putzte, war das Rührei kalt geworden. »Ich frage dich besser nicht noch einmal, wenn das solche Tränenströme auslöst«, meinte Jonathan mitfühlend. »Aber was soll ich tun, wenn Abernathy demnächst vor der Tür steht? Ihn hereinlassen? Ihn zum Teufel schicken? Weißt du, das sollte ich wissen …« Er hob vielsagend seine bandagierte Hand. »Ich möchte nicht unvorbereitet einem eventuell wütenden abgeblitzten Liebhaber gegenübertreten.«
    »Er kommt bestimmt nicht«, schniefte ich unsicher.
    Jonathan schaute skeptisch, enthielt sich jedoch eines Kommentars und erinnerte mich nur daran, dass ich Monika informieren müsste, dass sie mich nicht am Flughafen abholen bräuchte.
    Das Flugticket musste ich verfallen lassen. Glücklicherweise war der finanzielle Verlust nicht gravierend – Monika hatte äußerst günstige Sonderpreise ergattert, und Jonathan bestand stur darauf, mir den neuen Rückflug zu buchen »sobald ich dich entbehren kann«.
    Monikas erste Reaktion war Besorgnis: »Du bist doch nicht ernsthaft krank? Du klingst so verschnupft.«
    Ich beruhigte sie, redete mich mit einer leichten Erkältung heraus und erzählte von dem Überfall auf Jonathan und seiner gebrochenen Hand.
    »Aber selbstverständlich bleibst du, solange er dich braucht. Wir kommen hier sehr gut zurecht.« Monika reagierte, wie ich es von ihr erwartet hatte. »Stevie hat sich prima eingearbeitet, Alfons findet kaum noch was zu meckern. Und ich bin auch schon wieder am Rumhumpeln. Mit den Krücken geht das ganz gut. – Wie bist du denn mit diesem Abernathy zurechtgekommen?«
    Bei der Erwähnung seines Namens überlief es mich heiß, aber ich bemühte mich um eine gelassene Stimme, als ich sagte: »Kein Problem. Erst war es ein bisschen schwierig, aber es wird schon klappen. Ich schicke dir den Katalog mit meinen Anmerkungen, dann kannst du in aller Ruhe mit Alfons aussuchen und bestellen.«
    »Wahnsinn! Reni, du bist Klasse! – Wie ist er denn so?«
    »Das erzähle ich dir später«, wich ich aus und beeilte mich, das Gespräch zu beenden.
    Jonathan beobachtete mich von seinem Platz auf dem roten Sofa aus mit besorgtem Blick. Meine Haare mussten inzwischen halb trocken sein. Geistesabwesend nahm ich das Handtuch herunter und schüttelte meine Mähne.
    »Du siehst überhaupt nicht deutsch aus«, stellte Jonathan fest. »Eher italienisch oder spanisch – jedenfalls mediterran.« Vor nicht einmal zwölf Stunden hatte jemand das Gleiche zu mir gesagt, und in der dunklen Stimme hatten Bewunderung und etwas Undefinierbares mitgeklungen. Jonathans Bemerkung war hingegen eine rein sachliche Beobachtung.
    »Mein Vater war aus Sizilien.« Ich hörte die Spur Stolz darüber, dass ich es jetzt wusste, in meiner Stimme.
    »Aha, das erklärt manches«, nickte er. »Bist du ihm sehr ähnlich?«
    »Warte, ich habe ein Bild von meinen Eltern dabei.« Ich sprang auf, um es aus meinem Zimmer zu holen. Das Bild steckte in dem Bündel Briefe, die ich immer noch nicht geöffnet hatte. Entschlossen legte ich sie auf mein Bett. Es wurde Zeit, dass ich meinen Vater kennen lernte. Ich würde es nicht weiter hinausschieben. Heute Abend, sobald ich Ruhe hatte, würde ich sie endlich lesen.
    Ich nahm das Foto und brachte es Jonathan, der das Paar nachdenklich betrachtete. »Leben sie noch?«, fragte er und sah zu mir hoch.
    »Meine Mutter ist letztes Jahr gestorben. Mein Vater vor sechs Jahren.« Die Worte klangen in meinen eigenen Ohren so unbeteiligt, als redete ich von oberflächlichen Bekannten. Ich hatte es aufgegeben, nach den Gefühlen tief in meinem Inneren zu suchen, die man zu haben erwartet, wenn die Mutter stirbt. Manchmal hätte ich mir gewünscht, um sie weinen zu können, aber ich empfand nur Leere.
    Jonathan

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