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Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wahl
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am Fluss erwischte. Zu sagen, er war angewidert, wäre untertrieben. Fehlte gerade noch, dass er uns angespuckt hätte. Es war eine hässliche Szene …« Jonathan unterbrach sich, öffnete die Flasche, goss sich ein Glas ein und schüttete es hinunter, als wolle er die Erinnerung wegspülen. Ich verneinte, als er fragend ein Glas hochhielt, und wartete, dass er fortfuhr. Er musste sich sichtbar zwingen und seine Stimme klang leicht gepresst. »Von dem Tag an schnitt er uns so offensichtlich, dass einige Lehrer sogar begannen nachzufragen. Aber die Angst, zum Gespött der Schule zu werden, weil er nichts gemerkt hatte, hielt Miles zurück. Vielleicht hatte er auch Befürchtungen, man könnte ihn einer ähnlichen Neigung verdächtigen – nichts hätte Miles schlimmer gefunden als auch nur den Hauch eines solchen Verdachts!
    Als Sebastian starb, schrieb er mir eine Art Beileidsbrief. Schwülstiges Zeug vom Zorn Gottes gegen unsere widernatürliche Art und ähnliche Nettigkeiten. Er wäre gerne bereit, mir beizustehen, wenn ich ›meine unnatürliche Ader‹ bekämpfen wollte. Ich sollte Sebastians Tod als Warnung sehen.«
    »Und was hast du darauf geantwortet?«, fragte ich schockiert.
    Jonathan schnaufte kurz durch die Nase: »Ich war so wütend wie noch nie in meinem Leben. Ich habe mir die scheinheiligen Beileidsbezeugungen eines mittelmäßigen Spießers verbeten und ihm seinen Brief mit zurückgeschickt. – Wenn ich damals gewusst hätte, dass Miles einmal der Starreporter dieses Revolverblatts werden würde, hätte ich es ein wenig diplomatischer formuliert – vielleicht …«, schränkte er selbstkritisch ein. Sonderbar abwesend begann er dann, in einer Schublade nach einem Löffel zu suchen.
    »Habt ihr euch seitdem denn nie wieder getroffen? Du bist beim Fernsehen, er ist bei der Presse – da gibt es doch jede Menge Berührungspunkte.« Steckte dieser Miles womöglich auch hinter der Kampagne, von der Mark mir erzählt hatte? Das ironische Lächeln auf Jonathans Gesicht beantwortete meine Frage: »Miles und ich geben uns große Mühe, uns nicht zu begegnen.«
    Der Lammeintopf erforderte nicht allzu viel Aufmerksamkeit. Während das Fleisch mit etwas gewürfeltem Schinkenspeck und den Zwiebeln im Rotwein schmorte, legte ich unter Jonathans Anleitung die weiteren Zutaten bereit: die geputzten Bohnen, einen Zweig Bohnenkraut und eine Hand voll gehackten Dill. Aus dem Topf begann es köstlich zu duften. Aber Jonathan gönnte mir keine Pause. Die Mango zu schälen und zu zerstückeln erwies sich als unerwartet schwierig.
    »Sie ist so schrecklich glitschig«, klagte ich, als sie mir zum dritten Mal aus den Fingern rutschte und über den Küchentisch schlitterte. Jonathan seufzte ungeduldig, hielt sie geschickt mit seiner unverletzten Hand fest und meinte: »Nur gut, dass ich im Studio nicht mit echten Anfängern kochen muss. Mach dir keine Gedanken, wenn du sie zerquetschst. Wir pürieren sie sowieso für das Parfait. Ich hole schon mal die Minze. – Und sag mir bitte Bescheid, wenn du kein Parfait mehr sehen kannst. Ich fürchte, in meiner Begeisterung für die neue Eismaschine werde ich etwas einseitig.«
    Ich versicherte ihm, dass dieser Punkt noch lange nicht erreicht sei, und meinte das ehrlich. Es begeisterte mich, was man alles aus einem Schüsselchen Fruchtmus, Zucker und dieser Maschine herstellen konnte. Jonathans Experimente mit der Zugabe von Sahne, Crème fraîche, Eischnee oder Joghurt waren immer ein Genuss.
    Satt und zufrieden saßen wir später vor unseren leer gegessenen Tellern, tranken den letzten Schluck, bevor ich gehen würde, das Parfait aus dem Tiefkühlfach zu holen.
    »Es war köstlich. Wie bist du darauf gekommen – auf das Kochen, meine ich?«, fragte ich mein Gegenüber.
    »Keine lange Geschichte – kurz zusammengefasst habe ich schon als Junge gerne in der Küche meiner Großmutter herumgelungert und ihr geholfen. Später habe ich meine Vorlieben dann einfach verfeinert. Man kann süchtig nach Geschmackserlebnissen werden, wusstest du das? Außerdem ist es etwas, das einen auch in den eigenen vier Wänden beschäftigt. Andere sammeln Briefmarken oder Eisenbahnen oder züchten Orchideen«, er blinzelte mir zu, »ich koche eben.«
    Bevor ich weiterfragen konnte, klingelte das Telefon. Da ich nicht mehr mit einem Anruf von Mark rechnete, konnte es nur ein Gespräch für Jonathan sein; also beeilte ich mich, mit den Tellern in die Küche zu verschwinden, um ihm ein wenig

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