Schwarzer Purpur
hast du dagegen? Ich dachte, nichts wäre dir lieber, als diesen Herrn wiederzusehen.«
Ich senkte den Blick auf die zerknüllte Serviette zwischen meinen Fingern und begann nervös, die eine Ecke zu einer Spitze zu zwirbeln.
»Ja, natürlich, aber ich weiß nicht …«
»Was weißt du denn?«, unterbrach er mich. »Das scheint mir das Problem zu sein. Wenn du eine Entscheidung treffen musst, hoffst du, dass andere sie für dich treffen.«
Und der Hausverkauf? Der Vertrag mit Abernathy?, wollte ich trotzig erwidern. Aber der Trotz blieb mir im Hals stecken. Jonathan hatte im Grunde Recht. Ich hatte Entscheidungen immer gerne vor mir hergeschoben in der vagen Hoffnung, es werde sich alles von selbst regeln, beziehungsweise jemand oder etwas würde sie mir abnehmen. Aber Mutter war nicht mehr da. Die bequemen Aspekte der Abhängigkeit waren genauso Vergangenheit wie die unangenehmen.
»Und diese Geschichte mit Abernathy«, fuhr Jonathan unbeirrt fort, »das ist wieder solch eine Nummer. Der gute Mann lehnt sich weit aus dem Fenster, und ich musste dich fast schon in seine Arme schieben. Da du eine Nacht mit ihm verbracht hast, gehe ich einmal davon aus, dass er dir nicht ganz gleichgültig ist – aber was tust du? Erzähl mir nicht, dass du dich nicht einfach aus dem Staub gemacht hast!«
Heiße Röte schoss mir ins Gesicht, und ich wich seinem entrüsteten Blick aus. Jonathan war jetzt so richtig in Fahrt.
»Ja, das habe ich schon vermutet, als ich dich in aller Herrgottsfrühe hier hereinschleichen sah. Was, in drei Teufels Namen, hast du dir dabei gedacht?«
»Ich wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen«, verteidigte ich mich schwach. Selbst in meinen eigenen Ohren klang es an den Haaren herbeigezogen. Jonathan studierte mich fassungslos mit herunterhängendem Unterkiefer. Schließlich klappte er den Mund wieder zu. »War es so schlimm?«, bohrte er nach.
Meine Verlegenheit steigerte sich in ungeahnte Höhen, als mir aufging, was seine Frage implizierte. Ich erstickte fast an dem gerade noch verständlichen »Nein, es war wundervoll«, aber das konnte ich einfach nicht auf Mark sitzen lassen.
»Ja, warum bist du denn dann verschwunden?«, insistierte Jonathan argwöhnisch.
»Ich hatte Angst, er wäre zu betrunken gewesen, um zu wissen, was er tat«, versuchte ich, meine wirren Gefühle verständlich zu machen.
Ein Schimmer von Verständnis flackerte über seine Züge. Er lehnte sich zurück und nickte nachdenklich. »Ich beginne zu ahnen, worum es ging. Du hast so panische Angst vor Zurückweisung, dass du ihr lieber zuvorgekommen bist. Hast du ihm wenigstens eine Nachricht hinterlassen?«
Traurig schüttelte ich den Kopf. Wie oft hatte ich mir seitdem gewünscht, nicht ganz so kopflos geflüchtet zu sein! Jonathan pfiff leise durch die Zähne.
»Jetzt hast du ein Problem. Ist dir klar, dass es für ihn eine ausgesprochene Demütigung war, dass das Mädchen, mit dem er die Nacht verbracht hat, einfach abgehauen ist? Er dürfte sich seitdem mit der Frage herumschlagen, wie schlimm er versagt hat …«
Es wurde immer schrecklicher. »Vielleicht sollte ich mich lieber auf meine Pflanzen beschränken.«
»Unsinn – mit ein wenig gutem Willen lässt sich auch solch eine verfahrene Situation wieder einrenken.« Jonathan kaute auf seiner Unterlippe und überlegte angestrengt. »Dass er sich bei Monika nach dir erkundigt hat, ist ein gutes Zeichen. Ich denke, ich liege richtig mit der Vermutung, dass er immer noch interessiert ist. Dass du es bist, ist mehr als klar.« Er streifte bedeutungsvoll die dunklen Bartnelken, die ich auf den Esstisch gestellt hatte, weil ich das Parfüm der Duftwicken in meinem Zimmer nicht verfälschen wollte; sie begannen zwar bereits zu welken, aber ihr süßer Duft hing noch im Raum.
»Ich werde mir einen Plan ausdenken«, verkündete Jonathan siegessicher. »Aber jetzt brauche ich meinen Verdauungsmokka. Traust du dir zu, ihn unter meiner Anleitung hinzubekommen?«
»Natürlich! Es sah nicht schwierig aus«, erwiderte ich und ging ihm voraus in die Küche. Es war dann doch komplizierter, den genauen Zeitpunkt abzupassen, an dem die dampfende Flüssigkeit kurz vor dem Überkochen war, und die Kupferkasserolle nicht bereits beim ersten Blubbern hochzureißen. Jonathan war gnadenlos und ließ mich so lange üben, bis die vorschriftsmäßigen drei Male zu seiner Zufriedenheit aufgewallt waren.
Erschöpft ließ ich mich auf den Stuhl ihm gegenüber sinken und nippte
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