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Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wahl
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ländlichen Bürgertums aus. Ihre hellblauen Augen blinzelten mir freundlich zu.
    Der Mann schien eine Spur jünger, sein volles, leicht gewelltes Haar zeigte nur vereinzelte graue Strähnen. Dunkelbraune Cordhosen und eine moosgrüne Windjacke ließen mich sofort an Entenjagd und Pirschgänge in der Morgendämmerung denken. Ein Haselnussstrauch, gedrungen, aber zäh.
    »Verena, darf ich dir meine Eltern vorstellen«, sagte Jonathan mit schwacher Stimme.
    Mrs. Dunnet streckte mir ihre Hand entgegen und nickte zustimmend, als ich sie bat, mich einfach mit dem Vornamen anzusprechen. Mr. Dunnet dröhnte begeistert: »Na, siehst du Annie – ich hab’s ja immer gesagt: Der Junge fängt sich. Und dann so ein nettes Ding – lass dich umarmen, Mädel! Du machst einen alten Mann sehr, sehr glücklich!«
    Ich öffnete schon den Mund, um den offensichtlichen Irrtum aufzuklären, als Jonathans warnender Blick und sein fast unmerkliches Kopfschütteln mich ihn wieder schließen ließen. Was wurde hier gespielt?
    Automatisch nahm ich ihnen die Jacken ab, hängte sie in die Garderobe und nickte beruhigend, als Jonathan mich etwas nervös bat, seinen Eltern eine Tasse Tee ins Wohnzimmer zu bringen.
    Sie saßen steif auf dem roten Sofa, auf dem ich vorgestern meinen ersten Brandy getrunken hatte. Mrs. Dunnet erklärte Jonathan gerade, dass sie von dem Überfall in der Zeitung gelesen hatten, und Mr. Dunnet darauf bestanden hätte, sich persönlich ein Bild vom Zustand seines Sohnes zu machen. »Und als dieser unangenehme Mensch Edward sogar im Pub darauf ansprach – Reporter können ausgesprochen lästig sein –, beschlossen wir, ein paar Tage nach London zu fahren. Du hättest uns wirklich anrufen können«, fügte sie mit deutlichem Vorwurf hinzu.
    »Ach, Mum, es ist doch nichts Ernstes. Ich wollte euch nicht unnötig beunruhigen«, entschuldigte Jonathan sich mit leiser Renitenz.
    »Wie ist es eigentlich passiert? Der Reporter deutete an, du wärst überfallen worden. London ist nicht mehr, was es einmal war! All die Ausländer.« Mr. Dunnet setzte zu einer längeren Tirade über die Überfremdung der Hauptstadt an, wurde aber von einem strengen Blick seiner Frau gebremst. Der deutliche Seitenblick auf mich erinnerte ihn daran, dass auch ich Ausländerin war. Er klappte augenblicklich seinen Mund wieder zu, trank einen Schluck Tee und fragte mich strahlend, wie ich seinen Sohn kennen gelernt hätte. Die Frage war unverfänglich genug, aber ich schaute trotzdem unsicher zu Jonathan. Ich wollte keinen Fehler machen.
    Jonathan nuschelte etwas von längerer Bekanntschaft, und sein Vater betrachtete mich so wohlwollend, dass es mir allmählich peinlich wurde.
    »Na, und wann wollt ihr zwei denn nun Ernst machen? Du wirst auch nicht jünger, mein lieber Junge.«
    Unerwartet sprang Mrs. Dunnet auf, griff nach meiner Hand und verkündete fröhlich, sie werde mir in der Küche helfen. »Ihr Männer könnt euch derweil einen kleinen Vormittagsdrink genehmigen.« Ehe ich mich versah, stand ich Jonathans Mutter allein in der Küche gegenüber. Sie musterte mich schweigend, aber nicht unfreundlich.
    »Setzen Sie sich, meine Liebe«, sagte sie endlich. »Ich danke Ihnen, auch in Jonathans Namen, dass sie die Farce mitgespielt haben. Verzeihen Sie mir meine Neugierde, aber was machen Sie hier eigentlich wirklich? «
    Ich zögerte mit einer Antwort. Was sollte ich erzählen, was besser verschweigen?
    »Ich weiß Bescheid«, half sie mir aus meiner Verlegenheit. »Und mir ist absolut klar, dass sie nicht die Freundin sind, die Edward in Ihnen sieht.« Ein müder, trauriger Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »Weiß Gott, ich habe Jahre gebraucht, bis ich diese Hoffnung begraben habe. Ich hätte so gerne Enkelkinder durch unser Haus toben sehen.« Sie schaute sich in der Küche um, wie jemand, der sie zum ersten Mal sah. Den Blick fest auf die Spüle gerichtet fuhr sie leise fort: »Da ich also weiß, dass sie nicht meine zukünftige Schwiegertochter sind – in welcher Funktion sind Sie hier?«
    »Zuerst war ich hier nur als Gast. Jonathan hat mich netterweise eingeladen, während der Flower Show bei ihm zu wohnen. Eigentlich Monika und mich – das ist meine Freundin, und die wiederum ist gut mit Alfons befreundet. Der kennt Jonathan seit vielen Jahren, seit er zu seinem Praktikum in Deutschland war«, erklärte ich und überlegte, ob die komplizierten Verhältnisse noch einigermaßen übersichtlich waren. Mrs. Dunnet nickte ermutigend und

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