Schwarzer Purpur
zukünftige Schwiegertochter, Mrs. Dunnet als Mitverschworene.
»Ich komme mir unglaublich mies vor«, stöhnte ich, als Jonathan und ich ins Esszimmer zurückkehrten, um das Geschirr abzuräumen.
»Das musst du nicht«, beruhigte Jonathan mich nüchtern. »Denk daran, welche Freude meinem Vater die Vorstellung bereitet hat, ich würde endlich heiraten. Ich habe gar nicht gewusst, wie wichtig es ihm ist«, fügte er ehrlich erstaunt hinzu.
Am nächsten Morgen bestand Jonathan darauf, die Zeit von Marks Besuch zu nutzen, um seinen Hausarzt aufzusuchen. »Vielleicht komme ich mit einem leichteren Verband wieder. Es tut schon kaum noch weh«, äußerte er optimistisch.
Kaum war die Tür hinter ihm zugefallen, merkte ich, wie meine Nervosität zu einer Art Panik ausuferte. Angespannt lief ich von einem Zimmer ins andere, zupfte hier an einer perfekten Gardine, las da ein Stäubchen vom Boden auf – und zuckte heftig zusammen, als er auf die Minute pünktlich an der Wohnungstür klingelte. Mechanisch wischte ich meine feuchten Handflächen an den Jeans ab, die ich bewusst angezogen hatte, um keine Erinnerungen an das weich fließende Ballkleid zu wecken. Der purpurrote Pullover, der meinen südländischen Farben schmeichelte, bedeckte meine Arme und reichte mir fast bis auf die Oberschenkel. Jonathan hatte gequält die Augen geschlossen, als ich darin am Frühstückstisch erschienen war, und ausführlich seiner Erleichterung darüber Luft gemacht, dass ihn niemand aus seiner Bekanntschaft mit diesem Monstrum sähe. Ich war etwas gekränkt, denn er beleidigte meinen Lieblingspullover, aber ich musste zugeben, dass er zwei Größen kleiner vermutlich besser gepasst hätte. Aber erstens hatte es ihn nur in dieser Größe gegeben, und zweitens war ich ganz zufrieden, dass in ihm meine Oberweite nicht so auffiel. Jonathan hatte verächtlich etwas über die »Feigheit vor dem Feind« gemurmelt und angekündigt, so schnell wie möglich mit mir einen Einkaufsbummel zu unternehmen, aber ich fühlte mich in dieser alles andere als verführerischen Bekleidung sicherer.
Jetzt war ich allerdings trotzdem einen Moment lang versucht, in mein Zimmer zu flitzen und mir rasch etwas anderes überzuziehen, aber das ungeduldige Klingeln machte deutlich, dass ich Mark besser nicht unnötig warten ließ.
Verlegen bat ich ihn einzutreten. »Kann ich dir etwas zu trinken anbieten?« Dass meine Stimme dabei atemlos klang, hörte ich selbst, konnte es aber nicht ändern.
Mark hatte sich für seine Verhältnisse sorgfältig zurechtgemacht: Seine dunklen Haare lagen noch gerade gebürstet, und von den frisch rasierten Wangen streifte mich ein Hauch seines Rasierwassers. Er trug wieder seine Lederhosen, aber diesmal mit einem Poloshirt in Moosgrün. Er sah großartig aus. Ich starrte auf seine breiten Schultern und das Muskelspiel seines Rückens, während er wie selbstverständlich das Sakko in sandfarbenem Hahnentritt-Muster an die Garderobe hängte. Dann wandte er sich mir zu.
Seine Augen waren zwar zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen, aber seine Stimme klang erstaunlich sanft, als er gedehnt sagte: »Und nun zu uns. – Schau nicht so ängstlich. Vielleicht sollten wir uns setzen. Hier ging es entlang, wenn ich mich richtig erinnere?«
Ich fühlte mich trotz weicher Knie und verzweifelter Magenkrämpfe ins Wohnzimmer geführt und in eine Sofaecke gedrückt. Auch Mark suchte nun verlegen nach Worten, während er im Zimmer umherwanderte und schließlich am Fenster stehend mit gepresster Stimme fragte: »Wieso bist du so fluchtartig aus meiner Wohnung verschwunden? Habe ich dir irgendeinen Grund dazu gegeben?« Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, schwieg aber.
Ich erinnerte mich an Jonathans Analyse seiner Empfindungen und wand mich innerlich vor Peinlichkeit, aber es half nichts. Wenn ich Mark nicht sofort wieder verlieren wollte, musste ich ehrlich antworten.
»Nein, du hast mir nicht den geringsten Grund dazu gegeben«, brachte ich wegen der Trockenheit in meinem Mund etwas krächzend heraus. »Ich dachte nur …«
Wie würde er reagieren, wenn ich zugab, ihn für so betrunken gehalten zu haben, dass er nicht mehr wusste, was er tat? Und würde er verstehen, dass ich aus Angst vor dem geflüchtet war, was ich am Morgen in seinen Augen zu lesen fürchtete? Jonathans Reaktion hatte mir verdeutlicht, dass meine Gedankengänge für andere nicht unbedingt logisch waren. Dass sie, im Gegenteil, völlig andere Schlüsse aus
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