Schwarzer Purpur
erforderlich.« Er nickte vielsagend in meine Richtung. »Außerdem hasse ich nichts so sehr, wie mich hetzen zu müssen. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Fahren Sie vor, und wir kommen morgen gemütlich mit dem Zug nach. Sie können uns dann in Bristol abholen. Einverstanden?«
Es war Mark anzusehen, dass er uns lieber sofort in sein Auto gepackt und mitgenommen hätte, aber notgedrungen akzeptierte er Jonathans Angebot. »Obwohl es mir richtig Spaß gemacht hätte, Sie, Dunnet, auf den Notsitz meines kleinen Zweisitzers zu quetschen«, sagte er bedauernd, aber schon wieder mit einem Lächeln.
Ich schwebte im siebten Himmel. Ich hätte gleichzeitig singen, tanzen, weinen, lachen und die ganze Welt umarmen können. Unsere neu entdeckte Harmonie hüllte mich in einen Kokon aus geistiger Zuckerwatte. Wenn ich auch nichts lieber getan hätte, als mit Mark in sein Auto zu steigen, so sah ich doch ein, dass Jonathans Plan für uns alle am bequemsten war.
Wie lange unser Aufenthalt dauern sollte, darüber wurde kein Wort verloren, und auch ich machte mir keine Gedanken darüber. Schließlich waren Monika und Alfons bisher auch sehr gut ohne mich zurechtgekommen.
Etwas Ähnliches sagte Monika, als ich sie später anrief, um ihr unsere Reisepläne mitzuteilen. »Nicht, dass ich mich nicht für dich freuen würde – im Gegenteil! Aber ist das jetzt nicht alles etwas überhastet?«, wandte sie nur vorsichtig ein, deutliche Skepsis in der Stimme. »Schließlich kennt ihr euch doch kaum.«
»Genau das wollen wir ja ändern«, erwiderte ich fröhlich. »Ach, Mike, sei doch nicht so misstrauisch! Er möchte mich seiner Großmutter vorstellen.«
Monikas »Hm« klang nur teilweise überzeugt. »Ich wünschte, ich wäre bei dir«, meinte sie. »Du würdest vermutlich in Blaubarts Zimmer stolpern und es überhaupt nicht bemerken.«
Ihre Sorge rührte mich, also schluckte ich die spitze Erwiderung, dass sie mich nicht wie ein unmündiges Kind behandeln sollte, hinunter und sagte vernünftig: »Wenn es dich beruhigt: Jonathan kommt mit.«
»Phh! Als ob Jonathan viel davon verstünde!«
»Wenn jemand etwas von Mark und mir versteht, dann er!«, verteidigte ich ihn.
»Vielleicht verstünde ich ebenso viel, wenn du zur Abwechslung nicht so geheimnisvoll tätest! Immer diese Andeutungen und Ausflüchte! – Wer soll daraus denn schlau werden?«
Überrascht registrierte ich den beleidigten Unterton. Es sah Monika gar nicht ähnlich, beleidigt zu sein. »Mike … du bist doch nicht etwa eifersüchtig auf Jonathan?«
»Quatsch«, wehrte sie ab. »Na ja, vielleicht ein bisschen. Ich sitze hier mit Stevie und Alfons fest, und er kriegt die ganzen aufregenden Sachen hautnah mit, während du mir gegenüber auf Sphinx machst.«
Ich musste lachen. »Wenn ich dir alles erzählen soll, wird es eine teure Angelegenheit! Was willst du wissen?«
»Blöde Frage – alles über Mark Abernathy und dich! Wie war es, als ihr euch das erste Mal getroffen habt?«
»Er hielt mich für eine eiskalte Hexe und ich ihn für einen aufgeblasenen Wichtigtuer.« Ich versuchte, den Termin möglichst lebensnah wiederzugeben.
»Wahnsinn – da wäre ich für mein Leben gern dabei gewesen! Und wann habt ihr gemerkt, dass ihr euch beide geirrt habt?«
»Ich glaube, er war da etwas schneller«, sagte ich nachdenklich und rief mir den unergründlichen Seitenblick ins Gedächtnis, der meiner unbedachten Begeisterung über seine Schaupflanzung gegolten hatte.
Das Picknick und den Empfang fasste ich so kurz wie möglich zusammen, aber Monika ließ sich nicht so leicht abspeisen: »Das muss ja ungeheuer romantisch gewesen sein, die Tanzerei und das alles. – In welchem Bett seid ihr dann letztendlich gelandet?«
»In seinem«, gab ich zu.
Erwartungsvolles Schweigen signalisierte mir Monikas gespannte Aufmerksamkeit. Seufzend gab ich nach und berichtete so knapp wie möglich von meiner morgendlichen Flucht. »Und deswegen hat er so komisch gewirkt, als er bei dir angerufen hat.«
Monika stieß einen Pfiff aus. »Reni, wirklich! Du bringst Sachen fertig, auf die käme ich nicht einmal im Traum!«, befand sie. »Musst du alles immer so kompliziert machen? – Viel Glück!«
Kapitel 8:
Blackthorn Hall
»So, das ist doch viel gemütlicher, als mit deinem ungestümen jungen Mann die Autobahn entlangzurasen«, stellte Jonathan zufrieden aufseufzend fest, als er sich in die Polster unseres Erste-Klasse-Abteils sinken ließ. Der freundliche junge Schaffner hatte
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