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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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Schönes und Kraftvolles hervorbringen konnte wie ihren Sohn – das Wertvollste, das ihr je im Leben geschenkt worden war.
    Sie dachte an Lennard. Wo er wohl jetzt war? Immer noch hatte er etwas Geheimnisvolles an sich. Sie wurde das Gefühl nicht los, noch nicht wirklich bis zu seinem Inneren vorgedrungen zu sein. Er machte sich schreckliche Vorwürfe wegen seines Sohnes, den er glaubte im Stich gelassen zu haben. Doch da war noch mehr – eine unbeugsame Kraft, die sie anzog und ihr gleichzeitig Angst machte.
    Für einen Moment gab sie sich der Vorstellung hin, er läge vielleicht gerade jetzt wach und denke an sie. Einen Augenblick spielte sie ernsthaft mit dem Gedanken, ihn auf dem Handy anzurufen. Doch das war natürlich albern. Er brauchte seinen Schlaf. Sie übrigens auch.
    Sie sah auf die Uhr: Viertel vor drei. Es hatte keinen Sinn, hier in der Küche herumzuhocken. Sie trank ihren Tee aus und ging wieder ins Bett.
    Gerade, als ihr endlich die Augen zufielen, hörte sie draußen Stimmen – ein lautes Grölen, dann Schreie. Irgendwelche Besoffenen pöbelten herum. Kurz darauf erklangen Martinshörner. Sie seufzte, stand auf und ging zum Fenster.
    Sie erschrak. Auf der anderen Straßenseite standen mehrere schmucklose Mehrfamilienhäuser in einer Reihe. Eines |309| davon, nur ein paar Schritte vom Blumenladen entfernt, brannte. Flammen schlugen aus den Fenstern im Erdgeschoss, und dichte Rauchschwaden erhoben sich, als greife der Nachthimmel mit schwarzen Fingern nach dem Haus. Zwei Löschzüge, ein Krankenwagen und eine Polizeistreife standen in der Straße. Ihre Blaulichter warfen ein gespenstisches Flackerlicht auf die Szene. Die Männer waren gerade damit beschäftigt, die Schläuche anzuschließen. Ein Dutzend Menschen standen vor dem Haus. Einige trugen Bademäntel oder Unterwäsche.
    Entsetzt sah Fabienne, dass an den Fenstern im zweiten Stock Menschen standen. Der Brand musste sich so schnell ausgebreitet haben, dass sie nicht mehr über das Treppenhaus hatten fliehen können. Sie glaubte, Frau Velikovsky zu erkennen, die gelegentlich bei ihr Blumen gekauft hatte. Sie hatte zwei Kinder; eines davon ging in Max’ Schule. Der Magen krampfte sich ihr zusammen, als sie sah, wie die Frau eines der Kinder auf dem Arm hielt, während sich das andere angstvoll an seinen Vater klammerte.
    Quälend langsam fuhr die Leiter des Feuerwehrwagens in die Höhe. Ein Feuerwehrmann nahm der Mutter durch das geöffnete Fenster ihre kleine Tochter ab und trug sie nach unten. Der Junge und seine Eltern kletterten allein die Leiter herab. Die Menge unten applaudierte, während die übrigen Einsatzleute Wasser ins Erdgeschoss spritzten. Sie bekamen den Brand relativ schnell unter Kontrolle. Als die Flammen gelöscht waren, drangen zwei von ihnen mit Atemschutzgeräten in das Haus ein.
    Nicht alle Bewohner des Hauses hatten so viel Glück wie Familie Velikovsky. Nach ein paar Minuten trugen die Feuerwehrmänner einen alten Mann aus dem Haus. Ein Notarzt versuchte sofort, ihn zu reanimieren, doch nach allem, was Fabienne erkennen konnte, waren die Bemühungen vergeblich.
    |310| Beklemmung breitete sich in ihr aus. Sie dachte an die Bilder, die am Abend in den Nachrichten gesendet worden waren: eine riesige Menschenmenge am Rande der Ruinen von Karlsruhe. Menschen, die ihre Wut in den Himmel brüllten: »Deutschland muss brennen!«

|311| 62.
    Lennard stieß die Tür mit dem Fuß zur Seite, so dass sie ganz aufschwang. Eine vermummte Gestalt stand ihm gegenüber, in der Hand ein Messer. Die Augen hinter den Schlitzen der Gesichtsmaske waren vor Schreck aufgerissen. »Lassen Sie das Messer fallen!«, rief Lennard. »Und schön die Hände hoch!«
    Einen Moment schien die Gestalt starr vor Schreck, dann drehte sie sich um und rannte den Hotelflur entlang. Lennard folgte ihr, die Waffe im Anschlag. »Bleiben Sie stehen! Stehenbleiben, verdammt!«
    Der Angreifer ignorierte die Aufforderung. Lennard zielte auf seine Beine. Dann ließ er die Waffe sinken. Er konnte hier nicht einfach herumballern. Er war nicht mehr bei der Polizei. Er durfte die Waffe nur in Notwehr benutzen.
    Im nächsten Moment war die Gestalt um eine Ecke verschwunden. Lennard fluchte und kehrte ins Zimmer zurück.
    Eva saß mit aufgerissenen Augen im Bett. »Was war denn los?«
    »Wir hatten Besuch«, sagte Lennard. »Es scheint, als hättest du recht gehabt, was deinen Mann betrifft. Der Kerl hätte dir glatt die Kehle aufgeschlitzt!«
    »O mein Gott! Sie

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