Schwarzer Regen
drehte sich um. Doch in diesem Moment flog in hohem Bogen eine Bierdose über ihn hinweg und landete in der Menge. »Scheiß Kanaken!«, rief Hannes.
Ein getroffener Mann schrie auf. Mit lautem Gebrüll stürzten sich die Demonstranten auf die Freunde.
|80| Ben war alles andere als ein Schläger. Willi hatte sich ein bisschen dämlich verhalten, und vor allem Hannes hatte mit dem Wurf der Bierdose einen entscheidenden Fehler gemacht. Dennoch dachte er keine Sekunde lang daran, seine Freunde im Stich zu lassen. Er duckte sich unter einem Fausthieb weg und warf sich mit seinem ganzen Gewicht gegen einen älteren Demonstranten, der aufschrie und nach hinten stürzte. Ben kippte vornüber und landete auf ihm. Der Mann hielt sich schützend die Hände vors Gesicht. Ben versuchte, sich aufzurappeln. Überall um ihn herum wirbelten Fäuste und Fußtritte.
Er schaffte es, auf die Beine zu kommen, doch einer der Demonstranten, der sich von Willi einen Kinnhaken eingefangen hatte, fiel rückwärts gegen ihn und riss ihn wieder zu Boden.
Willi schien außer sich. Ein halbes Dutzend Türken umringte ihn, doch mit seinen langen, kräftigen Armen hielt er sie auf Distanz und teilte mehr aus, als er einstecken musste. Allerdings würde es wohl nicht mehr lange dauern, bis er überwältigt und vielleicht von einem Messer übel verletzt wurde. Auf der anderen Seite von Ben trat Hannes auf einen am Boden liegenden Türken ein.
Ein Schatten senkte sich über Ben. Er fuhr herum und sah in ein bärtiges Gesicht. Der Mund war zu einer Grimasse der Wut verzerrt. »Dich mach ich fertig, du Nazi-Schwein!«, zischte der Mann und hob einen schweren Pflasterstein.
Ben hob abwehrend die Hand, doch er wusste, dass er die Wucht des Schlags nicht würde aufhalten können. Wenn der Stein ihn am Kopf traf, würde sein Schädel zerplatzen wie ein rohes Ei.
Bevor der wütende Türke zuschlagen konnte, fiel ihm einer der anderen Demonstranten in den Arm und riss ihn zurück. Es war ausgerechnet der ältere Mann, den Ben zu |81| Boden geworfen hatte. Er brüllte etwas Unverständliches. Der Mann mit dem Stein wirbelte herum und fuhr den Älteren wütend an. Bevor er sich losreißen konnte, griff ein Polizist in Kampfmontur in die Auseinandersetzung ein. Er trug einen Helm und hielt einen transparenten Schild und einen Schlagstock in den Händen. »Auseinander!«, brüllte er.
Der Türke ließ den Stein fallen und ergriff die Flucht. Der Polizist folgte ihm.
Ben wollte sich aufrappeln, doch er wurde erneut zu Boden gedrückt. Jemand riss ihm brutal die Hände auf den Rücken und fesselte sie mit einem Plastikstreifen. »Sie sind vorläufig festgenommen!«, hörte er eine tiefe Stimme dicht neben seinem Ohr.
|82| 10.
Corinna Faller drückte ein paarmal auf den Auslöser. Die Fotos waren uninteressant, das wusste sie. Kaum geeignet, um in der
Rasant
zu erscheinen. Aber sie würde Dirk nicht den Gefallen tun, gegen seine ausdrückliche Anweisung zu verstoßen.
Die Tatsache, dass sie hier allein auf dem Schlossplatz in Karlsruhe stand, sagte im Grunde schon alles. Nicht mal die Lokalpresse schien sich für die Demo zu interessieren, aber schließlich dauerten die Proteste gegen das Urteil auch schon ein paar Tage an.
Normalerweise wurde ein Reporter der
Rasant
immer im Team mit einem Fotografen zum Einsatz geschickt. Einer kümmerte sich um die Story, der andere um die Bilder, so war das nun mal, und es galt ganz besonders, wenn so erfahrene und bedeutende Journalistinnen wie Faller unterwegs waren. Doch Dirk Braun hatte entschieden, dass sie allein fahren sollte, »um Reisekosten zu sparen«, wie er sagte. In Wirklichkeit wollte er sie nur erniedrigen.
Wenn er glaubte, sie damit gefügig zu machen, hatte er sich geschnitten. Faller hatte beschlossen, Dienst nach Vorschrift zu machen. Irgendwann würde sie ihre Chance bekommen, diesen Mistkerl abzusägen, und bis dahin würde sie sich nicht den kleinsten Fehler nachweisen lassen. Also hatte sie brav ein paar Fotos von der kümmerlichen Demo und den gelangweilten Polizisten geschossen und einige Passanten interviewt. Erwartungsgemäß waren die Beobachter überwiegend genervt, hüteten sich aber, gegenüber der Presse etwas politisch Unkorrektes zu äußern. Das gesamte Interviewmaterial war völlig unbrauchbar. Aber das |83| machte nichts – im Gegenteil. Sie würde brav aufschreiben, was sie gesehen und gehört hatte. Es würde vermutlich der langweiligste Artikel werden, den sie je verfasst
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