Schwarzer Regen
anderes raten, als das Haus auf keinen Fall zu verlassen, bis eine offizielle Entwarnung erfolgt.«
»Wie ist es mit dem Trinkwasser? Können die Menschen unbesorgt das Wasser aus der Leitung zu sich nehmen?«
»Davon rate ich grundsätzlich ab«, sagte der Experte. »Die radioaktiven Partikel geraten über die Abwasserkanäle in die Wiederaufbereitungsanlagen, die für einen solchen |178| Fall nicht ausgelegt sind. Abkochen oder das Säubern mit herkömmlichen Wasserfiltern nützt nichts. Ich rate den Menschen in den bereits unter der Falloutwolke liegenden Gebieten dazu, möglichst nur abgefüllte Flüssigkeiten wie Mineralwasser oder Milch zu sich zu nehmen. Ich gehe davon aus, dass die zuständigen Behörden in Kürze eine Wasserversorgung mit Kanistern aufbauen werden. Menschen in Gebieten, die noch nicht unter der Wolke liegen, also beispielsweise in Frankfurt oder Würzburg, sollten Badewannen, Eimer und Behälter mit Trinkwasser füllen.«
»Herzlichen Dank, Dr. Peters«, sagte der Moderator. »Wir schalten jetzt noch einmal live in das Katastrophengebiet zu unserem Reporter Richard Schirm. Richard, können Sie mich hören?«
Man sah Bilder, die aus einem Hubschrauber aufgenommen wurden. Sie zeigten eine graue Trümmerlandschaft, in der immer noch einzelne Feuer flackerten. Gerippe von Häusern ragten daraus empor. »Ich … ich höre Sie, Tom«, sagte der Reporter. »Was ich hier sehe … ist … ist einfach unbeschreiblich. Ich glaube, seit dem Zweiten Weltkrieg hat es eine so totale Zerstörung einer Stadt nicht mehr gegeben. Im Umkreis von einigen Kilometern um das Zentrum der Explosion ist kein Gebäude unversehrt geblieben. Wir nähern uns jetzt …«
Der Reporter stockte. Die Kamera zoomte in eine Straße voller verkohlter Autowracks. Zwischen den Trümmern wankte eine schwarze Gestalt. Sie war aus der Höhe nur undeutlich zu erkennen. Sie bewegte sich langsam. »Es … es ist unglaublich, Tom, aber dort unten irren immer noch verletzte Menschen umher. Offenbar konnten die Helfer noch nicht in alle Bereiche der Stadt vordringen. Ich kann kaum fassen, dass hier noch jemand überlebt hat.«
Die Kamera zoomte weiter auf die Gestalt. Das Bild wackelte stark, aber es war deutlich zu erkennen, wie sie |179| ihren Kopf hob und in Richtung des Hubschraubers aufblickte. Ihre Augen schienen nur noch schwarze Höhlen zu sein.
Ein leiser Aufschrei entfuhr Nora: »O Gott!«
Fabienne nahm ihre Freundin in den Arm. Sie konnte selbst kaum ertragen, was sie sah, doch sie war genauso wie Nora unfähig, sich abzuwenden.
Die Stimme des Reporters wurde brüchig. »Das … ich weiß nicht, ob wir diese Bilder wirklich senden sollen, Tom … es ist einfach zu schrecklich.«
Die Kamera zoomte aus dem Bild, so dass wieder nur eine formlose Trümmerlandschaft zu erkennen war. Der Hubschrauber setzte seinen Weg fort. »Wir nähern uns jetzt dem Zentrum der Katastrophe«, sagte der Reporter nach einer Weile. »Da vorn steht kein Stein mehr auf dem anderen. Sie sehen, dort ist ein gewaltiger Krater entstanden. Er muss mindestens hundertzwanzig Meter durchmessen und … ich denke, im Zentrum vielleicht dreißig Meter tief sein. Mein Gott, ich kann mir kaum vorstellen, welche Energie nötig ist, um einen solchen Krater zu schlagen! Wir … wir sind jetzt über der Stelle, an der einmal das Bundesverfassungsgericht stand. Wie Sie sehen, sind nur noch ein paar rechteckige Grundmauern zu erkennen. Dort rechts sind die Überreste des Karlsruher Schlosses. Der linke Flügel ist noch teilweise erhalten. Er stand genau senkrecht zur Front der Druckwelle. Vom Turm und dem rechten Flügel sind dagegen nur noch ein paar Trümmer übrig. Dahinter war gestern noch ein wunderschöner Park, in dem viele Menschen den Sommernachmittag genossen haben. Jetzt ist es nur noch eine schwarze Fläche. Der Wald erstreckte sich einmal von hier aus zehn Kilometer weit nach Norden. Wie Sie sehen, sind die meisten Bäume umgestürzt und verbrannt.«
»Ist es nicht gefährlich, Richard, so durch das Zentrum |180| der Katastrophe zu fliegen?«, fragte der Moderator im Studio. »Wir haben gerade von Dr. Peters vom Katastrophenschutz gehört, dass der radioaktive Fallout hochgiftig ist.«
»Man hat mir versichert, dass die unmittelbare Gefahr hier in der Luft gering ist, da die Fallout-Wolke nach Norden weitergezogen ist«, sagte der Reporter mit etwas unsicherer Stimme. »Es gibt wohl auch am Boden noch radioaktive Strahlung, aber hier oben soll es
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