Schwarzer Regen
mir,
sie sei ganz sicher gewesen, daß mein Herz in dem Moment aufgehört hatte zu
schlagen. Die Gesichtshaut zuckte, die Augen verdrehten sich, ich schien in
Agonie zu verfallen mit Symptomen wie blauverfärbten Lippen und Fingernägeln.
Und die ganze Zeit über hatte ich das Gefühl, als schwebte ich irgendwo in
hellen und weiten Räumen, ohne Schmerzempfindung. Die Menschen reden von der
Todesqual, aber die Person, die es betrifft, ist erstaunlicherweise fern aller
Leiden. Für jeden anderen allerdings muß ich mich in Todesqualen gewunden haben.
In den zwei Wochen nach dem akuten Auftreten der
Strahlenkrankheit hielt mich im wesentlichen der Saft
von achtzig Pfund Pfirsichen am Leben. Die Spritzen mit Vitamin C und die
Bluttransfusionen haben sicher auch ihr Teil beigetragen. Von da an, über einen
Zeitraum von anderthalb Jahren hinweg, heilten meine Geschwüre, die den
Verbrennungen von Röntgenstrahlen ähnelten, allmählich ab. Solange ich krank im
Bett lag, war ich nur das Gerippe eines menschlichen Wesens — mehr das
Eisengerippe eines noch im Bau befindlichen Gebäudes, denn später, als ich
wieder Muskeln und Fleisch bekam, erhielt ich buchstäblich einen neuen Körper.
Heute fehlt mir ein Ohrläppchen, und wenn ich Alkohol trinke, werden die Narben
auf der Wange und an den Handgelenken rot, aber außer einem hartnäckigen
Klingen im Ohr spüre ich keine Nachwirkungen mehr. Das einzige, was mir zu
schaffen macht, ist das Klingen; es hält Tag und Nacht an wie das Läuten einer
entfernten Tempelglocke, die die Menschen vor dem Irrsinn der Bombe warnt...
Als Shigeko ins Kuishiki-Krankenhaus ging, um Yasuko
zu besuchen, nahm sie den Bericht mit, damit der Chefarzt daraus etwas für
Yasukos Behandlung entnehmen konnte.
Wenn man niedergeschlagen ist, hilft meist etwas
Beschäftigung. Als Shigematsu allein war, schloß er schnell das Haus ab und
ging zu Shokichi, um zu sehen, wie die jungen Karpfen sich entwickelten.
Zufällig waren Shokichi und Asajiro am Teich. Asajiro hatte den kahlen Kopf
über einen Mörser gebeugt, in dem er Kohl stampfte. Shokichi mit dem lahmen
Bein fischte mit einem Kescher junge Fische aus dem Aufzuchtteich, sortierte
sie dann und warf sie in den Teich nebenan.
„Heiß heute, was?“ sagte Shigematsu. „Grüß dich!
Heiß heute, was?“ erwiderten die anderen. Das war der stereotype Gruß im Dorf
an einem schönen Sommertag. Abends hieß es dann: „Schön müde, was?“ Und wenn es
regnete, begrüßte man sich mit: „Schön der Regen, was?“ Shigematsu half Asajiro
bei dem Mörser. Sie zerstampften den Kohl, taten dann Leber dazu und stampften
weiter, mischten zerriebene Schmetterlingspuppen und Mehl unter und formten
daraus Kügelchen, die sie in den Aufzuchtteich warfen.
„Als ob man Köder zum Angeln macht“, sagte
Shigematsu. „Es heißt, daß sie jetzt in die Köder gesalzene Fischinnereien tun.
Ob wir auch Fischinnereien untermischen?“
„Kommt nicht in Frage“, sagte Asajiro. „Die
Jungfische sollen ganz erregt werden, wenn man was Salziges reintut. Man muß
sie ganz ruhig großziehen.“
Heute trug Asajiro eine gelbgetönte Brille, um
sich nicht die Augen zu überanstrengen, weil sonst, wie er meinte, die
Strahlenkrankheit eine Chance bekäme.
Fast achtzig Prozent der Fischbrut, die sie aus
den zwei Laichablagen gewonnen hatten, waren eingegangen. Bei einer Laichablage
von 25 000 Jungfischen waren also etwa 10 000 im Aufzuchtteich. Sie sahen aus
wie winzige Kärpflinge. In diesem Stadium nannte man sie Kego. Ungefähr zwei
Monate nach dem Ausschlüpfen würde die Farbe des Rückens dann ins Bläuliche
übergehen und ihre Länge ein- bis zweieinhalb Zoll betragen. In diesem Stadium hießen sie Aoko, sie wurden
dann in den Hauptteich gelassen. In einem Jahr wuchsen sie zu Shinko heran, und
waren sie dann groß genug zum Essen, hießen sie Kirigoi.
Die drei Teiche für die Aoko waren schon seit
über zwanzig Tagen fertig. Sie hatten sie zunächst vollständig entwässert, dann
Fischinnereien, Küchenabfälle und ähnliches zusammen mit Silage und anderem
hineingeworfen und das Ganze in der Sonnenhitze verrotten lassen. Erst dann
hatten sie wieder Wasser eingelassen. Asajiro und Shokichi meinten, daß das Wasser
genau die richtige Trübung hatte. Es war nicht klar wie Quellwasser, wie sie
erklärten, enthielt aber Nahrung und entwickelte Schwebealgen und Wasserflöhe.
Das Wasser kam aus dem nahegelegenen Fluß, und sie hatten den Teich so
angelegt, daß er
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