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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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Nahrung, so daß es unmöglich ist, die
Abmagerung aufzuhalten, und er fängt an auszusehen, als hätte er Krebs. Die
Anzahl der weißen Blutkörperchen nimmt ständig ab, aber im Fall meines Mannes
kam es bei etwas unter zweitausend zum Stillstand.
    Ein weiteres Symptom war die Verstopfung, unter
der er ungefähr zehn Tage lang nach dem Bombenabwurf litt. Er konnte auch immer
nur ein paar Tropfen Wasser lassen. Es muß wirklich eine furchtbare Bombe
gewesen sein, die selbst die Haut von den Handgelenken abschälte.
„Durchdringende Strahlen“ nennt man sie wohl. Sie scheinen die inneren Organe
ebenso wie die äußeren anzugreifen. Bei meinem Mann löste sich die Schleimhaut
innen von der Blasenwand und verstopfte die Harnröhre, so daß er kein Wasser
lassen konnte. Wenn man ein Stück trockenen Bambus aufspaltet, kommt eine
hauchdünne weiße Schicht zum Vorschein. Die Substanz, die aus der Blase kam,
sah genauso aus. Die Strahlen der Atombombe bewirken, daß sich die Schleimhäute
ablösen. Das geschah, nachdem wir zu meinem Bruder gezogen waren, also etwa
drei Wochen nach dem Bombenabwurf. Allerdings konnte er sich zum Wasserlassen
zwingen, indem er es nach unten preßte. Wenn der Urin in die Harnröhre
gelangte, drückte er auf den Schließmuskel, das heißt mit beiden Händen auf den
unteren Teil des Unterleibs. Er ließ es jedesmal in ein Gefäß und untersuchte
es, dann zeigte er mir, wieviel von dieser bambushäutchenähnlichen Substanz
herausgekommen war. Immer eine ganze Menge.
    Nein, ich glaube nicht, daß nur die Blase
angegriffen wird. Der Magen und die Därme und die Leber — die ganzen Organe — sind
bis zu einem gewissen Grad in Mitleidenschaft gezogen, fürchte ich. Und ich
glaube, der Gaumen wird ebenfalls befallen. Wahrscheinlich werden deshalb die
Zähne locker. Einige, von denen ich gehört habe, hatten blutigen Stuhl, andere
Durchfall. Bei meinem Mann war es Verstopfung. Die Schwierigkeiten mit der
Blase hören auf, wenn alle Schleimhautreste ausgeschieden sind. Ich nehme an,
es bildet sich dann eine neue Schleimhaut.
    Unser Neffe besuchte damals das erste Jahr die
Erste Mittelschule in Hiroshima. Ich ging nach Hiroshima, um herauszufinden,
was aus ihm und meinem Mann geworden war; aber als ich in die Stadt kam und den
Soldaten im Zelt vor dem Bahnhof fragte, erfuhr ich, daß alle Schüler der
Schule umgekommen waren. Ich dachte, es würde mir die Brust zersprengen — welch
eine Grausamkeit. Als ich meinen Mann fand, erzählte ich ihm zuerst nichts
davon. Manchmal frage ich mich, ob es der Schock über den Verlust unseres
Neffen war, der meine Nerven so aufputschte, daß ich den ganzen Weg nach Hesaka
lief und dann weiter nach Shobara, um meinen Mann zu suchen. Was für ein
gräßliches Ende für den armen Jungen...
    Das Rettungskommando, das am Tage nach dem
Angriff nach Hiroshima ging, räumte auch die Ruinen der Ersten Mittelschule
weg. Sie kamen später zu den Hoso-kawas, um zu berichten, was sie vorgefunden
hatten. Die Überreste unseres Neffen, der in Hiroshima Kriegshilfe leistete,
lagen in einem Klassenraum, an seinem Pult verbrannt. Er muß von den Strahlen
getötet worden sein. Jeder Mittelschüler trug damals eine Erkennungsmarke, und irgend jemand brachte uns seine — das einzige, was von ihm
übriggeblieben war, hieß es. Die Marke war aus Blech gestanzt und nur der Name
darauf geprägt, selbst den konnte man schwer erkennen.
     
    Aus diesen Erinnerungen von Iwatakes Frau und
Iwatakes eigenem Bericht seiner Erfahrungen konnte man schließen, daß es bisher
noch keine eigentliche Behandlung für die Strahlenkrankheit gab. Die einzigen
Maßnahmen, die man in Iwatakes Fall ergriffen hatte, waren Bluttransfusionen
und große Mengen Vitamin C bei einer Diät von Pfirsichen und rohen Eiern. Bei
ihm schien das angeschlagen zu haben — das und ein starker Wille, die Krankheit
zu überwinden. Das wenigstens war Shigematsus Schlußfolgerung, nachdem er das
Manuskript gelesen hatte.

Neunzehntes Kapitel
     
     
    Man mußte jetzt zuallererst dafür sorgen, daß
Yasuko nicht ihren Willen zu leben verlor. Sie mußte das Vertrauen erlangen,
daß sie überleben würde. Und tatsächlich, ihr Essen und Willenskraft
einzuflößen war das einzige, was sie tun konnten, zumal sie von Tag zu Tag schwächer
wurde und keiner wußte, wie man sie richtig behandeln sollte.
    Nach Shigekos Bericht war Yasuko bei zwei Ärzten
in Kobatake gewesen, und zwar am Morgen des Tages, als sie

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