Schwarzer Regen
ins
Kuishiki-Krankenhaus ging. Beide hatten ihr selbstverständlich Medizin zum
Einnehmen gegeben, aber sie hatte sie in einen Graben geworfen, ohne sie
anzurühren. Die Frau vom Dorfladen am Fuße des Hügels hatte Namen und Datum auf
den Päckchen gesehen. Sie hatte sie geöffnet, sagte Shigeko, und es bestünde
kein Zweifel daran, daß Yasuko sie wegwarf, ohne auch nur eine einzige Dosis zu
nehmen. Das zeigte, in welch verzweifeltem Zustand sie war. Man mußte ihr also
Herrn Iwatakes Entschlußkraft, die Krankheit zu überwinden, als gutes Beispiel
Vorhalten.
Iwatake selbst schilderte, was sich um die Zeit,
als er das Lazarett verließ, abspielte, wie folgt:
Vielleicht ließen Ohrenschmerzen und Fieber
nach, weil man mich von den Maden im Ohr befreit hatte, aber ich wurde von Tag
zu Tag schwächer. Und trotzdem wollte ich nicht sterben, schon gar nicht in
jenem Krankenhaus. Ich war entschlossen, lieber sonstwo zu sterben, an einer
vernünftigen Krankheit, die ich mir erklären konnte.
Am 20. August bekamen Patienten, die sich dazu
in der Lage fühlten, die Erlaubnis, nach Hause zu fahren, vorausgesetzt, es war
nicht zu weit. Eigentlich konnte ich es mir nicht zumuten, trotzdem beherrschte
mich nur noch der Gedanke, nach Hause zu kommen; mit Dr. Fujitas Erlaubnis
erhielt ich den Schein für eine Notentlassung. Ich nahm alle Kraft für die
Reise zusammen, nicht bis nach Tokio, das war unmöglich, aber wenigstens bis
zur Hosokawa-Klinik in Yuda. Und wir mieteten einen Holzgaslastwagen, der
normalerweise Holzkohle transportierte, für die fünfzig Kilometer in den
Außenbezirk von Fukuyama.
Man zog mir den weißen Krankenhauskittel an und
setzte mir die Armeemütze auf den Kopf. In diesem Aufzug — ich wußte kaum, wer
ich war oder was mit mir geschah — erreichte ich irgendwie die Hosokawa-Klinik
in Fuchu. Der Weg ging über eine entsetzlich holprige Straße. Niemand, der sie
einmal befahren hat, kann die Augen schließen vor den Folgen einer so
schrecklichen Vernachlässigung öffentlicher Wege. Mehrere Male fiel ich in der
stickigen, heißen Kabine neben dem Fahrer in ein Delirium. Sogar meine Frau,
die mich begleitete, wurde zweimal wegen Erschöpfung ohnmächtig. Die drei
Stunden Fahrt erschienen uns wie ein Jahr.
Ich stand genau an dem kritischen Punkt, wo das
Leben um Haaresbreite vom Tod getrennt ist. Wäre ich nur noch einen Tag,
vielleicht auch nur einen halben länger in Shobara geblieben, hätte ich
zweifellos dort das Zeitliche gesegnet.
Ich war nur halb bei Bewußtsein, als man mich
von der Nebenklinik in Fuchu zur Hauptklinik nach Yuda brachte.
Bluttransfusionen, Injektionen, Injektionen und noch einmal Injektionen... an
soviel, jedenfalls, erinnere ich mich noch. Allmählich nahm ich wieder etwas
mehr von meiner Umwelt auf.
Jeden Tag hatte ich 40 Fieber. Die Zahl meiner
weißen Blutkörperchen war auf zweitausend gesunken, und ich fiel förmlich vom
Fleische, bis ich wie ein Skelett aussah, eine lebende Mumie. Die Verbrennungen
auf meinem Rücken waren äußerst schmerzhaft — gar nicht zu reden von denen an
den Händen und Ohren. Selbst wenn man nur Haut und Knochen hat, spürt man noch
Schmerzen. Meine Frau erzählte mir, daß die verbrannten Stellen an meinem
Rücken dunkel und hart wie ein Beefsteak waren, und das „Steak“ löste sich in
ganzen Stücken ab, bis die Rippen fast zum Vorschein kamen. Medizinisch ist das
der Zustand, der der Nephrose und dem Gangrän vorangeht. Bei der Explosion
hatten mich die Strahlen nur schräg getroffen, und trotzdem war das das
Ergebnis. Ich vermute, daß es bis zu einem gewissen Grade dem Wundliegen
ähnelt. Wahrscheinlich war auch der Kreislauf geschwächt, wodurch der Wundbrand
noch gefördert wurde.
Meine Hinfälligkeit erreichte einen Tiefpunkt;
immer wieder verlor ich das Bewußtsein. Zeitweise war mein Herzschlag nicht
mehr zu hören, und meine Atmung schien auszusetzen. Am Rücken entwickelte sich
eine ausgedehnte Entzündung, die Schleimhaut der Blase löste sich und führte zu
Harnverhaltung. Weder mein Schwager noch irgendein anderer Arzt hatten
Hoffnung. Die Ärzte, die an den Untersuchungen teilnahmen, gaben mich auf. Die
Haare gingen mir büschelweise aus, Schorf hing an den Haarwurzeln, so daß es aussah
wie Teile einer Perücke.
Mir wurde klar, daß mein Ende nahte, und ich
sagte meiner Frau meine letzten Wünsche. Aber ich starb nicht. Der Aufschrei
meiner Frau an meinem Bett brachte mich wieder zurück. Später sagte sie
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