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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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zerkleinern, in einer Schale mit zwei oder drei Eiern
verrühren und ihm diesen Brei einflößen. Es war erstaunlich — er leerte die
Schale jedesmal bis zum letzten Tropfen; es kann keinen Monat gedauert haben,
bis er alle Pfirsiche verspeist hatte.
    Am 22. kamen wir nach Yuda zurück, und am 23.
machte sich die Strahlenkrankheit ernstlich bemerkbar. Der schlimmste Tag war
der 23. August, als die Atmung aufzuhören schien und ich unter Tränen
zusammenbrach, weil ich glaubte, es wäre nun aus. An jenem Tage machte er mit
kaum vernehmbarer Stimme sein Testament. Sterbende können klar reden, wenn es
um ihr Testament geht, und sie verstehen auch, was man mit ihnen spricht. Ich
sagte zu ihm: „Ich werde alles so machen, wie du es wünschst, unter einer
Bedingung: du mußt einwilligen, daß wir dich ab sofort so behandeln, wie wir es
für richtig halten, so daß wir uns später keine Vorwürfe zu machen brauchen.“
    Er war einverstanden, aber als wir ihm
Bluttransfusionen und Ringersche Lösung gaben, bekam er hohes Fieber und litt
sehr. Er bat uns, damit aufzuhören, aber ich bestand darauf, es noch einmal zu
versuchen. „Nur noch dies eine Mal, wenn das nicht wirkt, geben wir’s auf!“
sagte ich. Wir fuhren fort mit dem Tropf und den Bluttransfusionen. Ob es
wirklich daran lag oder nicht, ich weiß es nicht, aber wir bekamen ihn langsam
durch. Trotzdem entstand an seinem linken Bein eine Entzündung. Er beharrte
darauf, daß es nicht an der Ringerschen Lösung lag, sondern sich wahrscheinlich
um eine Art Blutvergiftung handelte. Er wollte sich von niemandem operieren
lassen und schnitt sich die Stelle selbst mit einem Skalpell auf, als mein
Bruder in der Klinik in Fuchu war. In seinem Eigensinn wollte er nie, daß
andere chirurgische Eingriffe bei ihm Vornahmen. Er hat bis zum heutigen Tage
die Narbe behalten.
    Damals sah er aus wie eine Mumie, nur Haut und
Knochen. Hiroshi glich einem Skelett, das bei meinem Bruder stand. Da es immer
noch heiß war, ließen wir das Moskitonetz über seinem Lager, um Fliegen
fernzuhalten, die Maden erzeugen konnten — und wenn man ihn durch die weiße
Gaze ansah, glichen er und das Skelett wie ein Ei dem anderen. Meiner
Schwägerin wurde es so unheimlich, daß sie das Skelett in irgendeine Kammer
stellte.
    Zu jener Zeit verging für meinen Mann kein Tag
ohne Schmerzen. Seine Muskeln waren geschwunden und nur Haut und Knochen
übriggeblieben. Er klagte, daß er die Härte des Tatami durch die Steppdecken
hindurch spürte. Wir legten mehrere Decken übereinander, so hoch wie ein Bett,
und obenauf zwei Federbetten. Wir glaubten ganz sicher, daß es ihm
Erleichterung verschaffen würde, und trotzdem spürte er immer noch jede
Unebenheit im Tatami unter den Decken. Man konnte das kaum verstehen. Später
stellten wir fest, daß die Tatamis unten zu verrotten begannen.
    Der einzige Arzt, den er an sich heranließ, war
mein Bruder, Dr. Hosokawa. Schließlich hatte mein Bruder ihm Ringersche Lösung
und Bluttransfusionen gegeben, als andere Ärzte es längst aufgegeben und ihn
abgeschrieben hatten. Seine Blutgruppe ist 0 , und die
Kinder in unserer Familie haben auch 0 .
    Wir waren mit Lebensmitteln verhältnismäßig gut
versorgt. Wenn wir zum Beispiel Nachbarn fragten, ob sie uns etwas Leber
besorgen könnten, brachten sie die ganze Leber einer Kuh — als ob irgend jemand soviel essen konnte! Trotzdem blieben die
Grundlage seiner Diät Pfirsiche und Eier — die vertrug er offensichtlich am
besten. ich hatte Sorge, wir könnten nicht mehr genug ranschaffen, wenn die
Erntezeit vorüber war. Deshalb kaufte ich noch zweimal größere Mengen und
lagerte sie auf dem Grunde eines tiefen Brunnens. Yuda ist ein traditionelles
Gebiet für Pfirsichanbau, und seine weißen Pfirsiche sind berühmt wegen ihres
Wohlgeschmacks. In jener Zeit aber wollten die Gartenbesitzer nicht mit Geld
bezahlt werden, deshalb mußte ich Kimonos und andere Dinge dafür eintauschen.
Ich habe auf diese Weise zwei Reisekörbe voll Kimonos hingegeben.
    Es herrschte damals die allgemeine Ansicht, daß
man erkennen könnte, ob ein Opfer der Strahlenkrankheit sterben würde oder
nicht, wenn ihm das Haar ausging. Mein Mann verlor tatsächlich alle Haare, aber
ich glaube, die Symptome waren von Patient zu Patient sehr verschieden. Aus
Erfahrung kann ich nur von meinem Mann sprechen, doch ich weiß, daß sein
Appetit rapide nachließ, als die Strahlenkrankheit ausbrach. Der Patient
verweigert dann jede regelmäßige

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