Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
Vom Netzwerk:
Wenige
Wochen später tagte die japanische P. E. N.-Sektion in Hiroshima, und im Juni
brach der Korea-Krieg aus, in dessen Verlauf Präsident Truman mit dem erneuten
Einsatz der Atombombe drohte. Parallel dazu wurde bei den Opfern von Hiroshima
und Nagasaki eine Zunahme der Leukämiefälle und anderer sogenannter
»Spätschäden« nachgewiesen.
    Jetzt zum erstenmal griffen auch solche
Autoren das Thema auf, die die Atombombe nicht selbst miterlebt hatten, und
obwohl die Zensur noch bis kurz vor Ende der Besatzungszeit 1952 in Kraft
blieb, vermochte sie die neue Welle nicht mehr völlig zu unterdrücken.
     
    Masuji Ibuse veröffentlichte, wie
erwähnt, 1951 den Text »Schwertlilien«, in dem er sich von seinem dörflichen
August 1945 her dem Thema Hiroshima näherte. Der Text insgesamt konnte als
tagebuchartige Reminiszenz verstanden werden, enthielt aber bereits auch die
Keimzelle zu seinem späteren großen Werk, in dem es wiederum um die
beschriebene Kollision zwischen dem (aus Hiroshima herüberwirkenden)
Nichtfaßbaren und der (provinziellen beziehungsweise scheinbar
wiederhergestellten) »Normalität« geht.
    Der Roman erschien zunächst von Januar
1965 bis September 1966 als Vorabdruck in der angesehenen Literaturzeitschrift »Shincho«,
während der ersten sieben Folgen unter dem Titel »Mei no kekkon« (»Die
Verheiratung der Nichte«). Mit der Augustnummer 1965, in dem Monat also, in dem
sich Hiroshima zum zwanzigsten Male jährte, wurde der Titel in »Kuroi ame«
(»Schwarzer Regen « ) geändert — auf Vorschlag des
zuständigen Redakteurs, wie es später hieß.
    Nun sind solche Änderungen in Japan
nicht ungewöhnlich. Vorabdruck bedeutet hier nicht unbedingt, daß ein Roman
bereits zu Beginn vollständig vorliegt, und auch Ibuse hat noch während der
stückweisen Publikation gearbeitet, das Material vermehrt. Auffällig jedoch
ist, daß der ursprüngliche Titel für »Normalität« steht, wohingegen »Schwarzer
Regen« zu den Kennworten des Nichtfaßbaren zählt. Mit
anderen Worten: Nach Ibuses Absicht beginnt der Einstieg des Lesers von einem
vordergründig Faßbaren her; er soll an einem Vorgang teilhaben, der an und für
sich als durchaus alltäglich gelten kann und erst durch das Hereinwirken der
(von allen Beteiligten lange verdrängten) Atombombenfolgen aus seiner
»Normalität« gerät.
     
    Gelegentlich heißt es, Masuji Ibuse
habe mit »Schwarzer Regen« einen dokumentarischen Roman geschrieben. Richtig
ist, daß auch ihm angesichts des Themas die reine Fiktion undenkbar erschien.
Er selbst sagt einmal: »Ein so grausiges, jeder Beschreibung sich entziehendes
Ereignis wie Hiroshima kann von keinem einzelnen, und wäre er Zeuge gewesen,
bewältigt werden. Eine vernünftige und korrekte Methode, ein literarisches Werk
über die Atombombe zu publizieren, besteht meiner Meinung nach darin, daß man
das Gesehene und Gehörte vieler Zeugen getreu notiert, es abwägt, zu einem
Ganzen ordnet.«
    Heute ist bekannt, daß die
verschiedenen Tagebuchteile im Roman weitgehend auf originalen Aufzeichnungen
basieren; daß die Figuren teils mit ihren wirklichen, teils mit nur leicht
veränderten Namen auftreten; daß Ibuse auch die Geschichte der Nichte Yasuko
den Berichten eines Bekannten nacherzählte, eines Mannes übrigens aus jenem
schon in »Schwertlilien« erwähnten Nachbardorf in seiner Heimat, das nun sogar
mit belegbarem Namen als Kobatake erscheint. Dennoch täusche man sich nicht: In
einem ebenso wesentlichen Grade sind die Materialien »abgewogen und geordnet«,
sind —wie gründliche japanische Untersuchungen ergaben — von der Hand des
Autors umgeformt zu einer Wahrheit, einen Schritt über die bloßen Fakten
hinaus.
     
    Im übrigen entspricht dies der
grundsätzlichen Haltung des Erzählers Masuji Ibuse, der seit seinen
schriftstellerischen Anfängen in den zwanziger Jahren berühmt ist für seine
zumeist aus dem Alltag geschöpften Stoffe (»von Leuten, die unsere Nachbarn
sind oder sein könnten«, wie ein Kritiker einmal formulierte): Er weiß ohne
jeden Geruch des »Gemachten« und doch so raffiniert zu schreiben, daß sich das
Kleinste, das Vordergründigste stets auf ironisch vertrackte oder auch
tragische Weise mit dem Großen, mit dem im Hintergrund Wirkenden verbindet oder
sich ihm entgegensetzt, oder daß es von ihm bestimmt und mithin »übermächtigt«
wird wie in diesem Buch.
    Es ist kein Zufall, es ist nach Ibuses
Engagement bewußt so angelegt: Die Krankheit Jasukos setzt

Weitere Kostenlose Bücher