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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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setzte sie auf und verließ
mit Frau Takahashi den Bahnhof. „Machen Sie sich doch einen Verband ums
Gesicht“, sagte sie, „das kann nicht richtig verschorfen, wenn der Wind dran
kommt.“
    Ich nahm eine Mullbinde aus dem Verbandpäckchen
auf der Schulter, wickelte sie mir um den Kopf und band sie unterm Kinn fest.
Als ich die Mütze dann wieder aufsetzen wollte, war sie zu klein. Unrecht Gut
gedeiht nicht, dachte ich bei mir und entschloß mich, die Kopfbedeckung lieber
dazulassen als mit Gewalt aufzusetzen. Ich hängte sie an den wasserspeierartigen
Firstziegel eines eingestürzten Hauses; es würde sich schon jemand finden, der
sie gebrauchen konnte.
    Wir hatten immer noch kein eigentliches Ziel und
marschierten einfach weiter in Richtung Mitaki-Park. Jetzt trafen wir noch
weniger Leute als vorher, aber alle, die mit uns gingen, waren schwer verletzt.
Ich bemerkte eine Frau, die stocksteif und fassungslos dastand; schwärzliches
Blut spritzte durch die Finger ihrer linken Hand, mit denen sie den rechten Arm
umklammerte. Ich wandte den Kopf ab, da ich es nicht ertragen konnte, sie
anzuschauen. Da sah ich einen Jungen vorbeilaufen, der „Ichiro! Ichiro!“ rief.
Er trug ein kurzärmliges Hemd, die Hosenbeine waren zerfetzt, an den Füßen
hatte er Turnschuhe. „Ich bin es doch! Kyuzo bin ich!“ Er war vor einem jungen
Mann mit Stahlhelm stehengeblieben, der ihm entgegenkam. Der junge Mann hielt
auch an, sagte aber: „Wer bist du?“ und schien leicht zurückzuschrecken. Frau
Takahashi und ich verweilten einen Augenblick, um die beiden zu betrachten. Das
Gesicht des Jungen war geschwollen wie ein Fußball und hatte auch fast eine
solche Farbe. Haare und Augenbrauen waren verschwunden. Er hätte sonstwer sein
können.
    „Ichiro, ich bin es doch, ich, dein Bruder!“
    Er blickte dem jungen Mann ins Gesicht, aber der
schüttelte sich, als ob er ihn nicht erkennen wollte.
    „Los, sag mal, wie du heißt“, entgegnete er
grob, „und in welche Schule du gehst.“
    „Kyuzo Sukune, Unterstufe, zweite Klasse, Erste
Bezirksmittelschule Hiroshima.“
    Der junge Mann wich einen Schritt zurück, plötzlich
argwöhnisch geworden.
    „Hm, ja schon, aber Kyuzo — ja, Kyuzo trägt
immer Wickelgamaschen. Und er hat ein Hemd aus einem Baumwollkimono mit
dunkelblauen Punkten.“
    „Die Wickelgamaschen sind mir abgerissen und die
Punkte bloß noch Löcher. Das ist alles passiert, als die Bombe aufblitzte.
Ichiro, du mußt mich doch erkennen.“ Das Hemd war tatsächlich völlig
durchlöchert. Der junge Mann schien immer noch zu schwanken.
    „Na ja... doch, ich hab’s, ich könnte Kyuzo an
seinem Gürtel erkennen!“
    „Meinst du den hier, Ichiro?“
    Rasch zog er mit den zerschundenen, verbrannten
Händen seinen Gürtel heraus und zeigte ihn dem jungen Mann. Er mußte aus einem
Lederriemen, wie man ihn sonst für einen Tragekorb gebraucht, gemacht worden
sein. Neben der braunen Metallschnalle war noch eine grobe Lederschlaufe.
    „Stimmt, tatsächlich!“ Dem jungen Mann versagte
fast die Stimme. „Ach, Kyuzo…“
    Er hockte sich neben den Jungen, um ihm den
Gürtel wieder einzuziehen. Ich entfernte mich jetzt mit Frau Takahashi. Da wir
einfach nicht wußten, wohin wir uns wenden sollten, liefen wir den Weg wieder zurück, den wir gekommen waren. Ich konnte
mich nicht entschließen, nach Hause oder in den Betrieb zu gehen, und Frau
Takahashi war sich gar nicht einig, ob sie ihre Wollkämmerei oder einen Kunden
aufsuchen sollte.
    „Ich geh zuerst nach Hause“, meinte ich. „Selbst
wenn es in der Stadt brennt, müßte man doch die Bahngeleise benutzen können.“
    „Ich werde zu meinem Kunden gehen, um das Geld
zu kassieren. Wenn ich’s nicht bei der Bank einzahle, bekomme ich kein Material
mehr.“
    „Der junge Iwashita ist doch bei Ihnen in der
Firma“, erwiderte ich. „Auch wenn da ein Feuer ausbricht, hält er dort aus wie
der Kapitän auf einem sinkenden Schiff. So einer ist das doch, nicht?“
    „Iwashita wird schon zusehen, daß ihm nichts
passiert. Das Geld muß ich sowieso einzahlen, sonst dreht mir die Bank den Hahn
ab.“
    „Ich würde trotzdem nicht hingehen, heute ist
das doch egal. Es wird sicher keiner in der Bank sein. Und im Betrieb bei Ihrem
Kunden wohl auch nicht.“
    „Egal, ob jemand da ist oder nicht, ich sag mir
immer, man muß was riskieren. Geschäftsfrau bleibt Geschäftsfrau.“
    „Na dann“, meinte ich, „verabschieden wir uns
hier. Falls Sie mal bei uns im Betrieb reinsehen,

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