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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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sagen Sie doch bitte dem
Geschäftsführer, ich käme heut nachmittag oder morgen früh.“
    Wir trennten uns, und ich kehrte wieder zum
Bahnhof Yokogawa zurück. An vielen Stellen waren Brände ausgebrochen und
breiteten sich nach Ujina hin aus. (Später hinzugefügte Notiz: Von Frau
Takahashi habe ich nie mehr etwas gehört. Ich nehme an, sie ist in den Flammen
umgekommen.) Brände entstanden auch bei der Sanjo-Briicke. Es schien ziemlich
aussichtslos, sich auf den Straßen durchzuschlagen. Es gab einen einzig
möglichen Weg; man mußte der Sanyo-Bahnlinie über die Yoko-gawa-Eisenbahnbrücke
folgen und dann weiter auf dem Bahndamm nach Futaba-no-Sato gehen. Ich
entschloß mich dazu und schlug ostwärts, die Schienen entlang, die Richtung zur
Yokogawa-Brücke ein. Auch hier traf man verhältnismäßig wenig Flüchtlinge aus der Stadt, aber fast jeder hatte furchtbare Verletzungen oder
Brandwunden. Darunter war ein kleiner Junge, etwa sieben Jahre alt, der allein
vor sich hin stapfte. Ich holte ihn ein und sprach ihn an. „Wo willst du denn
hin, Sohnemann?“
    Er antwortete nicht, verzog keine Miene.
    „Meinst du, du schaffst es allein über die
Brücke?“
    Wieder keine Antwort.
    „Soll ich bei dir bleiben, bis du über die
Brücke bist, ja?“
    Er nickte und trottete an meiner Seite weiter.
Wenn er die Brücke erst einmal überquert hatte, war er den Hügeln von Futaba ja
ganz nahe und würde dann zurechtkommen. Aus Angst, ich könnte anfangen, ihn
gern zu haben, fragte ich ihn lieber nicht nach seinem Namen und erkundigte
mich auch sonst nach nichts. Er war ein netter kleiner Junge, und ich fühlte
mich erleichtert, daß er von sich aus auch kein Wort sagte. Wie geistesabwesend
und an irgend etwas anderes denkend, lief er mit
offenem Mund neben mir. Als wir eine Stelle erreichten, an der die
Bahnschwellen brannten, blieb er stehen, blickte verwirrt darauf, tat dann so,
als würfe er Steine auf das Feuer, und ging weiter. Über die brennenden
Schwellen wunderte ich mich auch. Und je weiter wir gingen, um
so öfter kamen wir an Schwellen, aus denen Rauchwölkchen aufstiegen und
ab und zu Flammen züngelten, auch Telegraphenmaste gab es, die an der Spitze
oder in der Mitte qualmten. Der Feind mußte eine Ölbrandbombe abgeworfen haben.
Um meine Theorie zu überprüfen, trat ich das Feuer auf einer Schwelle aus und
legte mich der Länge nach hin, um daran zu riechen. Es roch nach nichts anderem
als nach verkohltem Holz. Eine Ölbombe hätte gestunken. Es war sonderbar.
    Als ich wieder aufstand, sah ich als erstes eine
große, ungeheuere Wolkensäule. In ihrer Form erinnerte sie mich an die
Kumulonimbuswolken, die ich auf Photographien nach dem großen Erdbeben in Kanto
gesehen hatte. Aber diese hier zog ein einzelnes Bein nach sich und reichte bis
hoch in den Himmel hinauf. Sie war oben abgeflacht und schwoll immer mehr an
wie ein sich öffnender Pilz. „Du, Sohnemann, sieh mal die Wolke da“, sagte ich.
Der Junge riß den Mund weit auf, als er in den Himmel blickte. Beim ersten
Hinsehen schien die Wolke bewegungslos zu sein, war es aber keineswegs. Der Hut
des Pilzes wölbte sich nach Osten, dann nach Westen und wieder nach Osten. Jedesmal
leuchtete es an der einen oder anderen Stelle grell auf, wobei die
Schattierungen ständig wechselten: rot, purpur, lapisblau und grün. Und
unaufhörlich brodelte es aus dem Innern heraus. Der Stiel schwoll an wie ein
zusammengedrehter Schleier aus feinem Stoff. Die Wolke hing drohend über der
Stadt, als wollte sie sich darauf stürzen. Alle Fasern meines Körpers schienen
davor zurückzuschrecken. Ich glaubte, die Beine würden mir versagen.
    „Da drüben unter der Wolke — das sieht aus wie
ein Regenschauer, nicht wahr?“ sagte sehr höflich eine Frau.
    Ich drehte mich um und erblickte dicht neben mir
eine Frau in mittleren Jahren mit einem freundlichen Gesichtsausdruck, von
einem hübschen Mädchen begleitet.
    „Ich weiß nicht“, sagte ich, „ein Regenschauer...“
    Ich kniff die Augen zusammen und starrte in den
Himmel, aber ich hatte weniger den Eindruck eines Schauers als einer dichten
Masse kleiner Partikel. Ob das ein Wirbelsturm war? So etwas hatte ich noch nie
zuvor gesehen. Ich bekam eine Gänsehaut, als ich versuchte, mir vorzustellen,
was passieren würde, wenn er auf uns zukäme und diese Partikel auf uns
niederregneten. Der Wolkenpilz breitete sich jeden Augenblick weiter nach
Südosten aus. Und richtig, meine Knie wurden ganz schwach.
    Die Frau

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