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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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die
Ferne zu rücken; ich hatte zwar keinen Schwächeanfall, aber der Schock war ganz
unbeschreiblich. Mir fiel plötzlich ein Satz aus einem Propagandaflugblatt ein,
das der Feind vor etwa einem Monat abgeworfen hatte. Der Text lautete etwa:
„Wir werden den Bewohnern von Hiroshima bald ein hübsches kleines Geschenk
bringen.“ Ich hatte das nicht selbst gesehen, aber durch Tashiro, den
Haupttechnologen in der Ujina-Konservenfabrik, davon gehört. Auch Yasuko war es
in ihrem Betrieb zu Ohren gekommen.
    „Etwas Gräßliches ist passiert“, sagte ich.
„Etwas unsagbar Gräßliches. Wir müssen ganz ruhig bleiben, Frau Takahashi, und
erst überlegen, ehe wir etwas unternehmen, und vor allem ganz ruhig bleiben.“
    „Was kann bloß passiert sein — daß alles auf
einmal hier ringsum so aussieht. Was das auch war, eine Bombe oder sonst was — das
geht zu weit, das ist zuviel.“
    „Frau Takahashi“, sagte ich, „Ihr Gesicht und
Ihr Haar sind ganz mit Staub überpudert, so, als hätten Sie eine Perücke aus
Asche auf.“
    Bei diesen Worten ließ sie schließlich mein
Handgelenk los und klopfte sich mit beiden Händen auf den Kopf. Es stäubte ihr
auf Gesicht und Schultern, dann wandte sie den Kopf nach links und rechts und
versuchte, die Asche abzupusten. Das ging jedenfalls besser als das Klopfen mit
den Händen. Sie beugte sich vornüber und klopfte wieder, schüttelte den Kopf
und pustete aus Leibeskräften. Ich faßte mir auch auf den Kopf. Puder flog
hoch, wie die Aschenwolke, die sich erhebt, wenn man Wasser aus dem Kessel auf
glühende Holzkohle im Kohlenbecken schüttet. „Das gefällt mir gar nicht“, sagte
ich. „Lassen Sie das, Frau Takahashi, wir wollen mal sehen, daß wir Wasser
finden und uns Kopf und Gesicht waschen, es ist bestimmt besser, wenn wir uns
richtig waschen.“ Sie stimmte mir zu. Aber die Häuser ringsum waren eingestürzt
und die Löschtonnen mit dem Wasser zur Brandbekämpfung, die sonst unter den
Dachtraufen standen, lagen jetzt unter eingefallenen Mauern und Bergen von
Dachziegeln begraben. Wir gingen zu dem Hahn zurück, aus dem das kochende
Wasser gelaufen war, aber er war aufgedreht und gab nun nichts mehr her, weder
heißes noch kaltes Wasser. Erst jetzt bemerkten wir, daß der Hahn zu einem
Wassertank vor dem Eingang eines Ladens gehörte. Man hatte dazu ein Benzinfaß
in einen Zementsockel gesetzt, offensichtlich als provisorischen Wasserbehälter.
Der Laden war allerdings bei der Explosion völlig zerstört worden.
    Auf der Straße kamen uns jetzt weniger Leute
entgegen, die Schreie der Verwundeten verloren sich. Die meisten Leute schienen
zum Mitaki-Park oder zur Sanjo-Eisenbahnbrücke zu laufen; daher gingen wir auch
in diese Richtung. Neben dem Bahngleis zog sich ein langer Zug von Flüchtlingen
hin wie eine Ameisenstraße oder wie die Pilger — fiel mir ein die vor Zeiten zu
den Tempeln von Kumano strömten. In der Entfernung sah der Hügel im Park kaum
anders aus als ein großes, helles Brot, auf dem es von Ameisen wimmelte. Als
wir an der Yokogawa-Grundschule vorbeikamen, entdeckten wir in einer Ecke des
Schulhofes einen Wasserbehälter. Frau Takahashi, die ihn zuerst bemerkt hatte,
rannte darauf zu. Ich fing auch an zu rennen, aber durch die Erschütterung
meiner Gesichtsmuskeln fühlte ich sofort schmerzhaft meine linke Wange. Ich
zwang mich also, ruhig hinzugehen. Als ich meine Brille abnehmen wollte, um
mich zu waschen, merkte ich, daß sie verschwunden war. Auch mein Hut fehlte,
wie mir jetzt auffiel.
    „Ich habe meine Brille und meinen Hut verloren“,
sagte ich.
    Frau Takahashi fuhr sich mit der Hand über die
Hüften und dann über die Schulter.
    „Und meine Tasche ist weg“, flüsterte sie. „Über
dreitausend Yen waren darin.“ (Ein Yen entsprach damals etwa einem Dollar.)
„Mein Geld, mein Sparkassenbuch und mein Siegel.“
    „Dann gehen wir die Tasche suchen. Ich denke,
Sie haben sie auf dem Bahnhof verloren, als der Feuerball explodierte.
Dreitausend Yen — das ist ja gräßlich viel Geld!“
    Trotzdem wollten wir uns erst waschen, wir
gossen uns gegenseitig mit einem Eimer, der herumlag, Wasser über den Kopf.
    „Reiben Sie sich bloß nicht das Gesicht, Herr
Shizuma!“
    Die Warnung brauchte ich kaum. Ich wusch mir das
Gesicht, indem ich den Kopf in einen Eimer Wasser steckte und ihn ruhig hin-
und herwendete, ohne die Hände zu gebrauchen. Ich füllte den Eimer, holte tief Luft,
steckte dann das Gesicht hinein und atmete langsam aus,

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