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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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Behörde, wie Tashiro gesagt
hatte.
    Alle Schriftarten fanden sich da, vom raschen
Gekritzel bis zum formvollendeten Zeichen. „Herr Fujino“, hieß es an einer
Stelle, „bitte Adresse angeben — Mikkaichi-Eisengießerei.“ — „Bitte teilen Sie
zeitweilige Anschrift dieser Behörde mit — Nakabayashi, Sankyo Comp.“ — „Mr.
Honda: Sind Sie gesund? Bitte jetzige Anschrift hier lassen — Tsutsuki-Werke,
Kaitaichi.“ — „Herr Morano: Erbitten Anschrift hier — Uchiyama, Koi.“ Alle
hatten mit Holzkohlestückchen geschrieben und das Datum angegeben.
    „Nicht eine Antwort von der Behörde“, sagte ich
zu Herrn Tashiro. „Sehen Sie mal, manche Anfragen sind schon drei Tage alt.“
    „Dann könnte wohl das Schlimmste passiert sein?“
    „Das Schlimmste?“
    „Daß die ganze Behörde auf einen Schlag
vernichtet wurde.“
    Tashiro war der einzige Überlebende seiner
Familie. Seine zweite, junge Frau und die kleine Tochter lagen unter den
Trümmern ihres Hauses verschüttet und waren gewiß in den Flammen umgekommen;
aber in seinem Alter könne er nicht mehr die Energie aufbringen, um in den
Ruinen nach ihrer Asche zu suchen.
    „Man muß sich damit abfinden“, sagte er. „Mögen
sie da bleiben, wo sie sind. Wo die sterblichen Reste eines Menschen liegen,
ist schließlich gleich — sie sind so oder so nur noch organischer Bestandteil
des Bodens.“
    Ich fragte ihn, wie er denn einen Grabstein
errichten wollte.
    „Die Familie meiner Frau auf dem Lande hat eine
Photographie von ihr und meiner Tochter. Ich werde dann das Bild beerdigen.
Aber was mach ich, wenn jemand von der Familie die Asche holen will? Ich kann
doch kaum sagen, er soll ihre organische Hülle da ruhen lassen.“
    Für einen Moment kam mir die Ansicht des alten
Wissenschaftlers ziemlich herzlos und widerwärtig vor. Doch dann betrachtete
ich die Sache anders. Tashiro war alt, aber seine Frau jung und attraktiv. Auch
seine Tochter, noch im Vorschulalter, war ein reizendes Kind. Vielleicht
fürchtete er, mit dem Suchen nach der Asche und dem Anblick der Leichen für
immer ihr Bild auszulöschen, das er im Innern trug. Er mußte genau wie ich
genug Tote — zerquetschte, halb verbrannte, verwesende Tote — in den letzten
Tagen gesehen haben.
    „Lassen Sie doch jemand anders nach der Asche
suchen“, schlug ich vor.
    „Ja, also mit den Kohlen“, sagte er und
überhörte meine Worte. „Wir könnten doch auch zum Heeresbekleidungsamt gehen
und dort verhandeln. Ich wüßte nicht, was wir sonst noch unternehmen sollten.
Außerdem liegen in der Gegend an der Sagino-Brücke nicht so viele Leichen, ich
nehme an, der Gestank wird da nicht mehr ganz so schlimm sein.“ Und dann setzte
er sich mit unerwartet festem Schritt in Marsch.
    Auf dem Weg zur Sagino-Brücke erblickten wir
fast dasselbe Bild der Zerstörung wie überall. Tashiro sprach nicht darüber,
aber er erzählte mir, was er vorher im Rathaus gehört hatte. Von den
neunhundert Angestellten im Hauptgebäude gab es jetzt kaum noch zwanzig. Und
jeder von ihnen hatte Schlimmes durchgemacht.
    Zwei Männer, die wie Arbeiter aussahen und in
der Hitze halb nackt herumliefen, halfen den Soldaten beim Tragen der
Wellblechplatten und beim Beseitigen der Toten. Als wir vorbeigingen, starrten
sie wie versteinert in einen Wassertank, der neben einer eingefallenen
Lehmmauer stand. In dem Behälter lag eine menschliche Gestalt, deren Kopf
allein sich in einen Totenschädel verwandelt hatte; der Körper war ganz unter
Wasser getaucht, und auf dessen Oberfläche schwammen klebrige, ölige braune
Blasen. Als die Arbeiter voller Widerwillen mit ihrem Wellblech an den Tank
herangingen, kippte der Schädel, ohne sich vorher bewegt zu haben, nach vorn
und versank inmitten der Blasen. „Mein Gott“, rief Tashiro, der nun doch
erschüttert war.
    Herr Kuriya, der Bürgermeister, hatte beim
Angriff in seinem Hause den Tod gefunden, erzählte mir Tashiro. Sein
Stellvertreter, Herr Shibata, konnte wegen einer Verletzung an der rechten
Fußsohle nicht richtig laufen. Außerdem war ihm ein Glassplitter tief in die
linke Wade gedrungen, so daß er auf Krücken ins Rathaus hinken mußte. Das Haus
des Bürgermeisters in Kako-cho hatte die Feuersbrunst natürlich auch
verschlungen. Als Shibata am nächsten Morgen zur Arbeit kam, schickte er einen
anderen Beamten zum Haus des Bürgermeisters. In den Überresten von Herrn
Kuriyas Wohnzimmer fand man die teilweise verbrannten Leichen eines Erwachsenen
und eines

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