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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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kleinen Kindes dicht beieinander. Der Bürgermeister hatte sein
Enkelkind abgöttisch geliebt, vielleicht hatte er es gerade zum Abschied
hochgehoben, ehe er zur Arbeit ging, als die Bombe fiel.
    Der Stellvertreter des Bürgermeisters, Shibata,
führte von da an die Amtsgeschäfte, sagte Tashiro. Die gut zwanzig
Angestellten, die im Rathaus ihren Dienst versahen, befaßten sich mit allem nur
Möglichen, wozu ihnen noch ein Dutzend Stühle, die wie durch ein Wunder nicht
verbrannt waren, sowie ein Vervielfältigungsapparat zur Verfügung standen. Sie
legten sich Akten an, indem sie andere Schriftstücke zusammenklammerten und die
Rückseiten beschrieben.
    Jeder besaß nur die Kleidung, die er gerade auf
dem Leibe trug, als sein Haus abbrannte, mit Dutzenden von Verwundeten führten
sie nun ein Gemeinschaftsleben in den Ruinen ihrer Büroräume und kochten sich
auch selbst. Glassplitter, verkohltes Holz, Metallschrott und dergleichen
hatten sie in eine Ecke gefegt. Vor das Fenster hatten sie eine aus der Kaserne
geborgte Zeltbahn gespannt. Als Büroräume richteten sie sich die Abteilungen
für Verteidigung, Gesundheit und Wohlfahrt ein, die im ersten Stock lagen und
vom Feuer verschont geblieben waren. (Später erfuhr ich aus persönlichen
Berichten von Herrn Shigeteru Shibata, daß Generalleutnant Saeki, Chef des
Stabes der Transportflotte des Akatsuki-Korps in Ujina, am Nachmittag des 7.
August um drei das Rathaus aufgesucht hatte. Er erklärte, er sei zum
Oberkommandierenden der Verteidigung im Gebiet Hiroshima ernannt worden, und
teilte ihnen mit, daß in der Nacht eine Einheit aus der Präfektur Shimane und
ein Teil des Akatsuki-Korps in Hiroshima eintreffen würden. Das gab Herrn
Shibata und den überlebenden Beamten der Stadtverwaltung die erste Hoffnung auf
eine konkrete Katastrophenhilfe. Am Achten kam eine dienstliche Aufforderung
vom Hauptquartier der Westjapan-Armee: Die zuständigen Beamten hätten sich dort
mit den wesentlichen Unterlagen über die Verteidigung zum Rapport einzufinden.
Demzufolge begab sich eine Gruppe, der auch der Rechnungsprüfer Hamai Nakahara,
Leiter der Kartenstelle, und Isamu Ito, Leiter der Sanitätsabteilung,
angehörten, zum Hauptquartier, das sich in einem Unterstand am Futaba-Hügel am
Stadtrand befand.)
    Beim Bekleidungsdepot standen nur ein paar
Pförtner im Eingang herum, von dem üblichen Kommen und Gehen war nichts zu
spüren. Es gelang Tashiro und mir, Leutnant Sasatake von der Erfassungsstelle
zu sprechen. Wir stellten unseren Antrag, erhielten aber die Antwort, eine
Genehmigung zum Anreißen der Kohlenreserve in Ujina käme überhaupt nicht in
Frage. Auch in jeder anderen Angelegenheit gab es nur Ausflüchte, und der
Besuch erwies sich als gänzlich nutzlos. Der Leutnant war so überreizt, daß. er
unser Anliegen nicht einmal ernsthaft anhörte. „Was die Kohle anbelangt, wie
ich wiederholt schon gesagt habe, müssen wir eine Beratung einberufen, ehe wir
zu einem Beschluß kommen können. Außerdem bin ich verpflichtet, das meinen
Vorgesetzten vorzutragen. Die Transportfrage, zum Beispiel, bringt verschiedene
technische Überlegungen mit sich. Und es wird notwendig sein, Ihren Antrag auch
mit dem Bedarf anderer Firmen zu vergleichen. Sie werden leider warten müssen,
bis wir unsere Beratung durchgeführt haben.“
    Da hier nichts weiter zu erreichen war,
verlangten wir den Leiter der Erfassungsstelle zu sprechen, aber der redete
genauso. Schließlich verlor der eigentlich phlegmatische Tashiro die Geduld.
    „Entschuldigen Sie“, sagte er zu dem Leiter.
„Ich werde Ihnen mal ganz einfach sagen, was unsere Firma will. Halten Sie
ruhig Ihre Beratung ab, aber wir für unseren Teil brauchen in der Zwischenzeit
ein paar Notlösungen. Wenn es absolut verboten ist, die Kohlenvorräte in Ujina
anzurühren, warum kann dann nicht jemand direkt zur Grube nach Ube geschickt
werden — schließlich sind wir in einer Zwangslage. Wenn sofort jemand losfährt,
kann er gegen Abend dort sein, meine ich. Es ist doch wohl ganz
unwahrscheinlich, daß die Erfassungsbehörde in Hiroshima in absehbarer Zeit
wieder ihre Arbeit aufnimmt.“
    „Wir sind natürlich dabei“, sagte der Leiter,
„solche Maßnahmen selbst zu erwägen. Aber wir sind gezwungen, unsere
übergeordneten Stellen zu konsultieren, um eine entsprechende Weisung zu
erhalten. Deshalb sagte ich ja, wir müssen eine Beratung abhalten.“
    „Wenn ich bemerken darf“, warf ich ein, „ich
kann mir nicht helfen, aber wie

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