Schwarzer Schmetterling
Schwefelsäure symbolisch rot und kippten sie in einen Bach, der in die Maas mündet. Sie drohten damit, dies alle zwei Stunden zu wiederholen.
Daraufhin prangerten Politiker, Gewerkschafter und Manager einen ›unverantwortlichen Ökoterrorismus‹ an. Eine große Abendzeitung brachte sogar allen Ernstes die Schlagzeile ›Der Beginn des Sozialterrorismus‹ und sprach von ›Selbstmord-Taliban‹. Besonders ironisch war das deshalb, weil Polytex seit Jahrzehnten einer der größten Verschmutzer der Maas und der ganzen Region gewesen war. Schließlich wurde das Werk drei Tage später von der Polizei geräumt. Die Arbeiter zogen wie begossene Pudel ab, ohne das Geringste erreicht zu haben. Vermutlich haben einige von ihnen diesen Vorfall noch immer nicht verdaut.
Das ist im Moment alles, was ich habe. Ich recherchiere weiter. Gute Nacht, Vince.«
Espérandieu runzelte die Stirn. Aber warum dann erst jetzt, nach acht Jahren?
Waren einige der Arbeiter damals im Gefängnis gelandet? Oder hatten sie sich nach langjähriger Arbeitslosigkeit umgebracht und hasserfüllte Angehörige zurückgelassen?
Er notierte diese Fragen in seinem Stenoblock.
Espérandieu sah auf die Uhr in der Ecke des Bildschirms: 19 : 03 Uhr. Er schaltete das Notebook aus und räkelte sich auf seinem Stuhl. Er stand auf und nahm eine Flasche Milch aus dem Kühlschrank. Im Haus war es still. Mégan spielte in ihrem Zimmer, Charlène käme erst in ein paar Stunden, die Babysitterin war gegangen. Am Spülbecken lehnend, schluckte er eine angstlösende Tablette, die er mit der direkt aus der Flasche getrunkenen Milch hinunterspülte. Von einer plötzlichen Regung ergriffen, suchte er auf der Schachtel nach dem Namen des Herstellers. Er stellte fest, dass er gerade eine Tablette geschluckt hatte, die vom Lombard-Konzern hergestellt wurde, um die Ängste zu mildern, die die Machenschaften ebendieses Unternehmens in ihm auslösten!
Dann überlegte er, wie er an weitere Informationen über Lombard gelangen könnte, und plötzlich fiel ihm jemand in Paris ein – eine brillante junge Frau, die er auf der Polizei-Akademie kennengelernt hatte und die wahrscheinlich in der günstigsten Position war, um pikante Erkenntnisse über Lombard zu liefern.
» MARTIN , KOMM MAL !«
Sie waren wieder nach oben gestiegen, um die Etagen zu durchsuchen. Servaz hatte sich ein kleines Schlafzimmer vorgeknöpft, das, nach der Staubschicht zu urteilen, seit Jahrhunderten nicht benutzt worden war – er öffnete den Schrank und die Schubladen, hob die Kopfkissen und die Matratze an, versuchte sogar, die Metallplatte abzumontieren, die die Feuerstelle des Kamins versperrte, als wieder Irènes Stimme durch die offene Tür drang.
Er trat hinaus auf den Treppenabsatz des Obergeschosses. Vor ihm, auf der anderen Seite des Gangs, stand eine schräge Leiter mit einem Geländer, wie auf einem Schiff. Und darüber eine geöffnete Klappe. Ein Lichtstreifen fiel durch das gähnende Loch und durchbrach die Dunkelheit des Treppenabsatzes.
Servaz kletterte die Stufen hinauf. Streckte den Kopf durch die Öffnung.
Ziegler stand in der Mitte des Raumes und bedeutete ihm, zu ihr zu kommen.
Das Dachgeschoss bestand aus einem weitläufigen Raum. Ein schöner Raum unter dem offenen Dachstuhl – zugleich Schlafzimmer und Büro. Er stieg aus dem Loch heraus und betrat den Holzboden. Die Einrichtung und die Dekoration erinnerten an eine Almhütte: rohes Holz, ein Schrank, ein Bett mit Schubkästen unter einem Fenster, ein Tisch, der als Schreibtisch diente. An einer der Wände eine riesige Karte der Pyrenäen – mit Tälern, Dörfern, Straßen und Gipfeln … Von Anfang an hatte sich Servaz gefragt, wo Chaperon schlief; keines der Schlafzimmer schien zurzeit benutzt zu werden. Die Antwort hatte er vor Augen.
Zieglers Blick schweifte durch den Raum, Servaz tat es ihr gleich … Der Schrank stand offen …
Leere Bügel hingen im Innern, ein Haufen Kleider lag auf dem Boden.
Auf dem Schreibtisch verstreute Papiere und unter dem Bett ein herausgezogener Schubkasten mit durchwühlter Männerunterwäsche.
»Das war schon so«, murmelte Ziegler. »Was ist hier los?«
Servaz bemerkte ein Detail, das ihm zunächst entgangen war: auf dem Schreibtisch, zwischen den Papieren,
eine Schachtel mit Patronen, offen …
In seiner Hast hatte Chaperon eine auf den Boden fallen lassen.
Sie sahen sich an …
Der Bürgermeister hatte sich aus dem Staub gemacht, als wäre ihm der Teufel auf
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