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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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Stelle, wo sie sich befanden, einen Furz ausstoßen, der so laut war wie ein Hornstoß. Merkwürdigerweise antwortete ihm aus dem Wald ein Vogel, dessen Schrei einem Hohngelächter glich. Der Mann blickte sich ein letztes Mal um und verschwand dann im Innern.
    Servaz hatte ihn trotz des Stoppelbarts sofort wiedererkannt.
    Chaperon.
    Sie erreichten die Lichtung auf der Rückseite der Hütte. Hier war es so feucht wie in einem türkischen Dampfbad, allerdings weit weniger heiß. Servaz sah die anderen an, sie verständigten sich lautlos und teilten sich in zwei Gruppen auf. Sie gingen langsam weiter, sanken bis zu den Knien im Schnee ein, dann bückten sie sich, um unter den Fenstern hindurchzuschlüpfen und sich der Tür auf der Vorderseite zu nähern. Servaz hatte sich an die Spitze der ersten Gruppe gesetzt. Gerade, als er um die vordere Ecke der Hütte bog, ging plötzlich die Tür auf. Servaz drückte sich an die Wand, die Waffe in der Hand. Er sah, wie Chaperon drei Schritte machte, seinen Hosenschlitz öffnete und lustvoll in den Schnee pinkelte, während er ein Liedchen schmetterte.
    »Hör auf zu pinkeln und heb die Hände, Pavarotti«, sagte Servaz in seinem Rücken.
    Der Bürgermeister fluchte: Er hatte gerade seine Schuhe bespritzt.
     
    Diane hatte eine Scheißnacht hinter sich. Viermal war sie schweißgebadet aufgewacht, mit einem Gefühl der Beklemmung, als wäre sie in ein Korsett geschnürt. Auch die Betttücher waren schweißgetränkt. Sie fragte sich, ob sie sich vielleicht einen Infekt eingefangen hatte.
    Sie erinnerte sich auch, dass sie einen Alptraum gehabt hatte, in dem sie mit Gewalt in eine Zwangsjacke gesteckt und in einer der Zellen des Instituts an ein Bett fixiert worden war, umgeben von einer ganzen Schar von Patienten, die sie angafften und mit ihren vom Medikamentenkonsum ganz feuchten Händen ihr Gesicht berührten. Sie schüttelte den Kopf und schrie, bis die Tür zu ihrer Zelle aufging und Julian Hirtmann hereinkam, ein schurkisches Lächeln auf den Lippen. Im nächsten Moment befand sich Diane nicht mehr in ihrer Zelle, sondern im Freien: Es war dunkel, da waren ein See und Feuer, und da waren Tausende von riesigen Insekten mit Vogelköpfen, die über den schwarzen Boden krochen, und nackte Körper von Männern und Frauen, die im rötlichen Schimmer der Flammen zu Hunderten fickten. Unter ihnen war auch Hirtmann, und Diane begriff, dass er diese gigantische Orgie organisiert hatte. Sie geriet in Panik, als sie merkte, dass sie ebenfalls nackt in ihrem Bett lag, noch immer gefesselt, aber ohne Zwangsjacke – und sie versuchte, sich zu befreien, bis sie wach wurde.
    Sie hatte danach eine ganze Weile unter der Dusche verbracht, in dem Bemühen, das klebrige Gefühl, das der Traum zurückgelassen hatte, abzustreifen.
    Jetzt fragte sie sich, wie sie weiter vorgehen sollte. Jedes Mal, wenn sie in Erwägung zog, mit Xavier zu sprechen, erinnerte sie sich an die Bestellung veterinärmedizinischer Anästhetika, und sie fühlte sich unwohl. Und wenn sie sich damit in den Rachen des Löwen warf? Es war wie bei diesen Hologrammen, auf denen sich der Ausdruck der fotografierten Person veränderte, je nachdem, wie man das Foto hielt – es gelang ihr einfach nicht, das Bild zu stabilisieren. Welche Rolle spielte der Psychiater bei alldem?
    Die Erkenntnisse, über die sie verfügte, deuteten darauf hin, dass Xavier in der gleichen Situation war wie sie: Von den Polizisten wusste er, dass jemand vom Institut in die Morde verwickelt war, und er versuchte herauszufinden, wer. Allerdings hatte er ihr gegenüber einen Vorsprung und besaß eine Menge Informationen, die sie nicht hatte. Andererseits hatte er nur wenige Tage vor dem Tod dieses Pferdes Betäubungsmittel für Pferde in Empfang genommen. Sie kam immer wieder zu demselben Punkt zurück: zwei völlig gegensätzliche Hypothesen, die sich jedoch beide auf Tatsachen stützten. Wäre es möglich, dass Xavier die Betäubungsmittel an jemanden weitergegeben hatte, ohne zu wissen, was diese Person damit vorhatte? In diesem Fall hätte sie aber bei ihren Nachforschungen über den Namen dieser Person stolpern müssen. Diane verstand überhaupt nichts.
    Wer waren Irène Ziegler und Gaspard Ferrand? Allem Anschein nach zwei Personen, die mit der Colonie des Isards in Verbindung standen. Genauso wie Lisa Ferney … Mit ihr müsste sie anfangen. Die einzige konkrete Spur, über die sie verfügte: die Pflegedienstleiterin.
     
    Servaz betrat die Hütte.

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