Schwarzer Schmetterling
der
Nutte
laut Henri Lombard … Weshalb zum Teufel hatte Irène dieses Grab mit Blumen geschmückt?
Er beugte sich nach unten, um die Inschrift zu lesen. Und runzelte die Stirn.
Wieder ein Stück näher an der Wahrheit, dachte er. Aber auch wieder ein Stück komplizierter.
Er sah Samira an – dann betrachtete er im Schein des Geräts erneut die Inschrift:
MAUD LOMBARD , 1976 – 1998 .
»Wer ist das?«
»Die Schwester von Eric Lombard, die vier Jahre jünger war als er. Ich wusste nicht, dass sie tot ist.«
»Ist das wichtig?«
»Vielleicht.«
»Warum hat Ziegler deiner Meinung nach ihr Grab mit Blumen geschmückt? Hast du eine Idee?«
»Nicht die geringste.«
»Hatte sie dir davon erzählt? Hatte sie dir gesagt, dass sie sie kannte?«
»Nein.«
»Was hat das mit den Morden zu tun?«
»Ich weiß es nicht.«
»Jedenfalls hast du diesmal wenigstens eine Verbindung«, sagte Samira.
»Wie das?«
»Eine Verbindung zwischen Lombard und den anderen Fällen.«
»Was für eine Verbindung?«, fragte er verdutzt.
»Ziegler hat dieses Grab doch nicht zufällig mit Blumen geschmückt. Es gibt einen Zusammenhang. Du kennst ihn vielleicht nicht, aber sie kennt ihn. Du brauchst sie nur danach zu fragen, wenn wir sie vernehmen.«
Ja, dachte er. Irène Ziegler wusste über diese ganze Geschichte sehr viel mehr als er. Servaz kalkulierte, dass Maud Lombard und sie ungefähr gleichaltrig waren. Waren sie befreundet gewesen? Neben ihrem Aufenthalt in der Kolonie war dies ein weiterer Zipfel ihrer Vergangenheit, der einen Bezug zu dem Fall hatte. Irène Ziegler hatte wahrlich mehr als ein Geheimnis.
Jedenfalls keine Spur von Henri Lombards Gemahlin, Erics Mutter. Sie durfte nicht die klägliche Ewigkeit der Familie teilen – selbst im Tod war sie noch verstoßen. Als sie zum Eingang des Friedhofs zurückgingen, dachte Servaz, dass
Maud Lombard im Alter von 21 Jahren gestorben war.
Sofort spürte er, dass er auf einen entscheidenden Punkt gestoßen war. Wie war sie gestorben? Bei einem Unfall? An einer Krankheit?
Oder an etwas anderem?
Samira hatte recht, Ziegler hatte den Schlüssel. Wenn sie hinter Gittern wäre, würde sie vielleicht auspacken, aber er bezweifelte das. Mehr als einmal hatte er Gelegenheit gehabt festzustellen, dass Irène Ziegler eine starke Persönlichkeit hatte.
Aber wo war sie eigentlich jetzt?
Jäh überfiel ihn große Besorgnis. Er sah auf die Uhr. Schon seit einer ganzen Weile hatte er nichts mehr gehört. Gerade wollte er Pujol anrufen, als sein Handy läutete.
»Wir haben sie verloren!«, brüllte Simeoni in den Apparat.
»Was?«
»Diese Lesbe, dieses Miststück, ich glaub, sie hat uns entdeckt! Mit ihrer Scheißmaschine kann sie uns leicht abschütteln!«
Verdammt!
Servaz spürte, wie das Adrenalin durch seine Adern schoss. In der Kontaktliste seines Handys suchte er den Namen von Maillard.
»Pujol und Simeoni haben die Zielperson verloren«, schrie er. »Sie hat sie abgehängt! Verständigen Sie Lieutenant Espérandieu und halten Sie sich bereit!«
»In Ordnung. Kein Problem. Wir erwarten sie.«
Servaz legte auf. Gern wäre er so gelassen gewesen wie der Gendarm.
Plötzlich fiel ihm etwas anderes ein. Er nahm sein Handy wieder heraus und wählte die Nummer von Saint-Cyr.
»Ja, bitte?«
»Sagt dir der Name Maud Lombard etwas?«
Ein Zögern am anderen Ende.
»Natürlich sagt mir das etwas. Die Schwester von Eric Lombard.«
»Sie ist mit 21 gestorben. Ein bisschen jung, oder? Weißt du, wie?«
»Sie hat sich umgebracht«, antwortete der Richter, diesmal ohne das leiseste Zögern.
Servaz hielt die Luft an. Das hatte er zu hören gehofft.
Ein Schema zeichnete sich ab. Immer deutlicher …
Sein Puls beschleunigte sich.
»Was ist passiert?«
Erneutes Zögern.
»Eine tragische Geschichte«, sagte die Stimme am anderen Ende. »Maud war jemand Sensibles, Idealistisches. Während ihres Studiums in den Vereinigten Staaten hat sie sich leidenschaftlich in einen jungen Mann verliebt, glaube ich. Als er sie wegen einer anderen sitzenließ, hat sie das nicht verkraftet. Das und der Tod ihres Vaters im Jahr davor … Sie ist hierher zurückgekehrt, um sich umzubringen.«
»Das ist alles?«
»Was hast du erwartet?«
»Sind die Tierskulpturen aus Buchsbäumen im Park der Lombards ein Andenken an sie?«
Abermaliges Zögern.
»Ja. Wie du weißt, war Henri Lombard ein grausamer, tyrannischer Mann, aber er erging sich auch in Aufmerksamkeiten wie dieser. Das waren
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