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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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etwas Seltsames gemacht …«
    »Was?«
    »Sie ist in eine Gruft gegangen und gute fünf Minuten dort geblieben. Dafür waren die Blumen. Sie ist ohne rausgekommen.«
    »Eine Familiengruft?«
    »Ja, aber nicht von ihrer Familie. Ich hab nachgesehen. Es ist die Gruft der Lombards.«
    Servaz durchzuckte es. Er wusste nicht, dass die Lombards ihre Grabstätten in Saint-Martin hatten … Plötzlich merkte er, dass er nicht mehr durchblickte.
Da war ein toter Winkel, den er nicht überblickte …
Alles hatte mit dem Pferd von Eric Lombard begonnen, aber dann war er vorläufig aus dem Fokus der Ermittlungen geraten, weil sie sich auf das Trio Grimm-Perrault-Chaperon und auf die Selbstmörder konzentrierten. Und plötzlich kam hier die Lombard-Karte wieder ins Spiel. Was hatte das zu bedeuten? Was hatte Irène Ziegler in dieser Gruft zu suchen? Er verstand überhaupt nichts mehr.
    »Wo bist du?«, fragte er.
    »Ich bin noch auf dem Friedhof. Sie hat mich gesehen, da haben Pujol und Simeoni übernommen.«
    »Ich komme.«
    Er verließ die Hütte, marschierte über den Pfad bis zum Forstweg und drang dann rechts ins Dickicht ein. Er bog die schneebeschwerten Äste, die seinen Jeep verdeckten, auseinander und schlüpfte ans Steuer.
     
    Es war halb eins, als Servaz vor dem Friedhof parkte. Samira Cheung erwartete ihn am Eingang. Trotz der Kälte trug sie nur eine schlichte Lederjacke, ultrakurze Shorts über einer blickdichten Strumpfhose und abgenutzte Rangers aus braunem Leder. Die Musik in ihren Kopfhörern war so laut, dass Servaz sie schon beim Aussteigen aus dem Jeep hören konnte. Ihr gerötetes Gesicht unter der Mütze erinnerte ihn an die seltsame Kreatur aus einem Film, zu dem ihn Margot ins Kino geschleppt hatte – in dem Film hatte es von Elfen, Zauberern und magischen Ringen gewimmelt. Er runzelte die Stirn, als er sah, dass Samira auf ihrem Sweatshirt auch noch einen Totenkopf trug. Ganz den Umständen entsprechend, sagte er sich. Sie glich weniger einer Polizistin als einer Grabschänderin.
    Sie gingen zwischen Tannen und Gräbern hindurch den kleinen Hügel hinauf und näherten sich dem Nadelbaumgehölz, das die Rückseite des Friedhofs begrenzte. Eine alte Frau warf ihnen einen strengen Blick zu. Das Grabmal der Lombards stach von allen Gräbern ringsherum ab. Mit seiner Größe war es fast ein Mausoleum, eine Kapelle. Zwei hübsch zugeschnittene Eibenhecken rahmten es ein. Drei steinerne Stufen führten zum Eingang, ein geschmackvoll gestaltetes schmiedeeisernes Gitter versperrte den Zutritt. Samira warf ihre Zigarette weg, ging um das Denkmal herum und stöberte eine Minute herum, ehe sie mit einem Schlüssel zurückkam.
    »Das hat Irène Ziegler auch gemacht«, sagte sie. »Der Schlüssel war unter einem lockeren Stein versteckt.«
    »Hat sie dich nicht entdeckt?«, fragte Servaz argwöhnisch in Anbetracht der Aufmachung seiner Mitarbeiterin.
    Samiras asiatisch-marokkanisches Gesicht verfinsterte sich.
    »Ich verstehe mein Metier. Als sie mich gesehen hat, hab ich gerade einen Strauß Blumen auf einem anderen Grab arrangiert, Lemort hieß der Typ. Witzig, oder?«
    Servaz hob den Kopf, aber das Giebeldreieck über der Tür gab keinerlei Auskunft. Samira steckte den Schlüssel ins Schloss und zog an der Gittertür, die quietschend aufging. Servaz tauchte ins Dunkel des Grabmals ein. Ein matter Lichtschein drang durch eine Öffnung zu ihrer Rechten, zu fahl, um mehr zu erkennen als die vagen Umrisse der drei Gräber. Wieder einmal fragte er sich, warum da diese Schwere, diese Trauer, diese Finsternis waren – als würde der Tod allein nicht genügen. Dabei gab es Länder, wo der Tod fast leicht war, fast heiter, wo man feierte, wo man schmauste und lachte, hier dagegen gab es nur diese tristen und düsteren Kirchen, all diese Wehklagen, diese Kaddischs und all diese Gebete über das irdische Jammertal. Als wären Krebs und Verkehrsunfälle, die versagenden Herzen, Selbstmorde und Morde nicht genug, sagte er sich. Er sah einen einsamen Strauß auf einem der Gräber, wie ein heller Fleck im Halbdunkel. Samira nahm ihr iPhone heraus und aktivierte das App »Taschenlampe«. Der Bildschirm wurde weiß und spendete schwaches Licht, und sie führte ihn über die drei Gräber: EDOUARD LOMBARD  … HENRI LOMBARD  … Der Großvater und der Vater … Das dritte Grab, sagte sich Servaz, musste das von Erics Mutter sein, der Ehefrau von Henri – der gescheiterten Ex-Schauspielerin, dem Ex-Callgirl,

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