Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
Vom Netzwerk:
aufgelegt, als ihr einfiel, dass ihr Auto eine Panne hatte.
     
    Im Licht der Scheinwerfer tauchten die Gebäude des Reitzentrums auf. Es war verlassen und dunkel. Keine Pferde, keine Pfleger weit und breit. Die Boxen waren für die Nacht – oder für den ganzen Winter – geschlossen worden. Er parkte vor dem großen Gebäude aus Ziegelsteinen und Holz und stieg aus.
    Sofort stand er mitten im Wirbel der Flocken, und der Wind ächzte immer stärker in den Bäumen. Servaz schlug seinen Kragen hoch und steuerte auf den Eingang zu. Hunde begannen in der Finsternis zu bellen und an ihren Ketten zu ziehen. Hinter einem Fenster brannte Licht, und er sah, wie eine Gestalt ans Fenster trat und nach draußen spähte.
    Servaz betrat das Gebäude durch die angelehnte Tür: Der Mittelgang war beleuchtet. Der Geruch von Pferdemist schlug ihm entgegen. Zu seiner Rechten sah er trotz der späten Stunde ein Pferd und einen Reiter unter den Lampenreihen in der großen Halle arbeiten. Marchand trat aus der ersten Tür links.
    »Was gibt’s?«, sagte er.
    »Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    Der Verwalter deutete auf eine Tür etwas weiter. Servaz trat ein. Das gleiche Büro wie beim letzten Mal, mit all den Trophäen, Pferdebüchern und Aktenschränken. Auf dem Bildschirm des Notebooks das Foto eines Pferdes. Ein prächtiges Tier mit rotbraunem Fell. Vielleicht Freedom. Als Marchand an ihm vorbeiging, roch Servaz Whiskydunst in seinem Atem. Eine schon ziemlich leere Flasche Label 5 stand auf einem Regal.
    »Es geht um Maud Lombard«, sagte er.
    Marchand sah ihn erstaunt und zugleich misstrauisch an. Seine Augen funkelten etwas zu stark.
    »Ich weiß, dass sie sich umgebracht hat.«
    »Ja«, sagte der alte Stallmeister. »Eine üble Geschichte.«
    »Inwiefern?«
    Er sah Marchand zögern. Einen Moment lang blickte er woandershin, ehe er die Augen auf Servaz richtete.
Er schickte sich an, zu lügen.
    »Sie hat sich die Pulsadern aufgeschnitten …«
    » UNFUG !«, brüllte Servaz und packte den Verwalter plötzlich am Kragen. » SIE LÜGEN , MARCHAND ! HÖREN SIE ZU : SOEBEN WURDE EINE UNSCHULDIGE PERSON DER MORDE AN GRIMM UND PERRAULT BEZICHTIGT ! WENN SIE MIR NICHT SOFORT DIE WAHRHEIT SAGEN , LEITE ICH EIN STRAFVERFAHREN WEGEN BEIHILFE ZUM MORD GEGEN SIE EIN ! ÜBERLEGEN SIE ES SICH SCHNELL ! ICH HABE NICHT DIE GANZE NACHT ZEIT !«, schrie er, während er blass vor Zorn nach den Handschellen griff.
    Dieser ebenso unerwartete wie heftige Wutanfall schien den Verwalter zu erschrecken. Und als er die Handschellen klicken hörte, erblasste er. Er riss die Augen weit auf.
    »Sie bluffen doch!«
    Ein guter Pokerspieler, der sich nichts vormachen ließ. Servaz packte ihn am Handgelenk und drehte es ihm brutal auf den Rücken.
    »Was tun Sie da?«, fragte Marchand völlig fassungslos.
    »Ich habe Sie gewarnt.«
    »Sie haben keinerlei Beweise!«
    »Wie viele Angeklagte vegetieren ohne ausreichende Beweise in Untersuchungsgefängnissen, was glauben Sie?«
    »Warten Sie! Das können Sie nicht tun!«, protestierte der Verwalter, der plötzlich panische Angst hatte. »Sie haben kein Recht dazu!«
    »Ich warne Sie: Vor der Gendarmerie stehen die Fotografen!«, log Servaz, während er ihn heftig mit sich zur Tür zog. »Aber wir hängen Ihnen eine Jacke über den Kopf, wenn Sie aus dem Wagen steigen. Sie müssen nur auf den Boden schauen und sich führen lassen.«
    »Warten Sie, warten Sie! Verdammt, warten Sie!«
    Doch Servaz zog ihn energisch hinter sich her. Sie waren bereits im Gang. Draußen heulte der Wind, Flocken wehten durch die offene Tür herein.
    »Okay! Okay! Ich habe gelogen. Nehmen Sie mir das ab!«
    Servaz hielt inne. Der Reiter stand jetzt mitten in der Halle und beobachtete sie.
    »Zuerst die Wahrheit«, flüsterte ihm Servaz ins Ohr.
    » SIE HAT SICH ERHÄNGT ! An der Schaukel im Schlosspark, verdammt!«
    Servaz hielt die Luft an.
Erhängt … Da hatten sie es …
Er nahm die Handschellen ab. Unwillkürlich rieb sich Marchand die Handgelenke.
    »Das werde ich nie vergessen«, sagte er mit gesenktem Kopf. »Es war in der Abenddämmerung eines Sommertags … Sie hatte ein fast durchsichtiges weißes Kleid angezogen. Sie schwebte wie ein Phantom über dem Rasen, mit gebrochenem Nacken, in der untergehenden Sonne … Ich habe dieses Bild noch immer vor Augen … Fast jeden Abend …«
    In einem Sommer
 … Wie die anderen hatte sie sich für diese Jahreszeit entschieden, um ihrem Leben ein Ende zu setzen … Ein

Weitere Kostenlose Bücher