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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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Tisch zwischen zwei Ohrensesseln, die an den offenen Kamin gerückt waren, standen zwei bauchige Rotweingläser, die mit rubinfarbenem Wein gefüllt waren. Der Wein dampfte.
    »Setz dich«, sagte der Richter und zeigte auf einen der Sessel.
    Servaz nahm das am nächsten stehende Glas. Es war heiß. Er drehte es in der Hand und ließ sich den aromatischen Duft in die Nase steigen. Er glaubte, Orange, Zimt und Muskatnuss zu erkennen.
    »So ein Glühwein«, sagte Saint-Cyr, »stärkt und wärmt an einem Abend wie diesem. Und vor allem wirkt er hervorragend gegen Abspannung. Das wird dich so richtig aufputschen. Die Nacht könnte noch lang werden, oder?«
    »Sieht man mir das denn so deutlich an?«, fragte Servaz.
    »Was?«
    »Die Müdigkeit.«
    Der Richter musterte ihn.
    »Du wirkst völlig erschöpft.«
    Servaz trank. Er verzog das Gesicht, als er sich die Zunge verbrannte. Aber der kräftige Geschmack nach Wein und Gewürzen erfüllte seinen Mund und seine Kehle. Zu dem Glühwein hatte Saint-Cyr in einem Schälchen auf dem Tisch kleine Stücke Lebkuchen angerichtet. Servaz nahm eines, dann ein zweites. Er hatte Hunger.
    »Also?«, sagte Saint-Cyr. »Erzählst du es mir?
Wer ist es?
«
     
    »Sind Sie sicher?«, fragte Cathy d’Humières in den Lautsprecher.
    Espérandieu betrachtete die Spitze seiner Allstars, die auf dem Schreibtisch seines Büros am Boulevard Embouchure lagen.
    »Mein Informant ist sich ganz sicher. Er arbeitet am Sitz von Interpol in Lyon. Es handelt sich um Luc Damblin. Er hat eine unserer Kontaktpersonen beim FBI eingeschaltet. Und er ist sich zu 200  Prozent sicher.«
    »Du liebe Güte!«, entfuhr es der Staatsanwältin. »Und Sie haben Martin nicht erreicht?«
    »Ich hab’s zweimal versucht. Jedes Mal war besetzt. Ich hab nur den Anrufbeantworter erreicht. Ich werde es in einigen Minuten noch mal probieren.«
    Cathy d’Humières blickte auf ihre goldene Chopard-Uhr – ein Geschenk ihres Gatten zu ihrem zwanzigsten Hochzeitstag: 22 : 50  Uhr. Sie seufzte.
    »Ich möchte Sie um etwas bitten, Espérandieu. Rufen Sie ihn an. Immer wieder. Wenn Sie ihn an der Strippe haben, sagen Sie ihm, dass ich gern vor morgen früh im Bett liegen würde und dass wir nicht die ganze Nacht auf ihn warten werden!«
    Am anderen Ende entbot Espérandieu einen militärischen Gruß.
    »Sehr wohl, Madame.«
     
    Irène Ziegler hörte den Wind auf der Außenseite des Gitterfensters. Ein echter Schneesturm. Sie löste das Ohr von der Zwischenwand. Die Stimme von Cathy d’Humières. Wohl aus Kostengründen waren die Zwischenwände in dieser Gendarmeriekaserne – wie in Hunderten anderer – dünn wie Karton.
    Ziegler hatte alles mit angehört. Offenbar hatte Espérandieu eine entscheidende Information erhalten. Eine Information, die den Gang der Ermittlungen grundlegend veränderte. Ziegler glaubte verstanden zu haben, worum es ging. Martin wiederum schien spurlos verschwunden zu sein. Sie glaubte zu ahnen, wo er sich befand, er wollte sich Rat holen, ehe er zur Tat schritt … Sie klopfte an die Tür, die sich fast sofort öffnete.
    »Ich müsste mal auf die Toilette«, sagte sie.
    Der Wachtposten schloss die Tür wieder. Als sie abermals aufging, stand eine junge Frau in Uniform im Rahmen, die ihr einen misstrauischen Blick zuwarf.
    »Folgen Sie mir, Capitaine. Und keine Dummheiten.«
    Ziegler stand auf, die in Handschellen gelegten Hände vor dem Bauch.
    »Danke«, sagte sie. »Ich möchte auch mit der Staatsanwältin sprechen. Sagen Sie es ihr. Sagen Sie ihr, dass es wichtig ist.«
     
    Der Wind heulte im Kaminrohr und drückte die Flammen herunter. Servaz war völlig entkräftet. Er stellte das Glas wieder hin und bemerkte, dass seine Hand zitterte. Er zog sie an sich, aus Furcht, Saint-Cyr könnte das Zittern bemerken. Der Geschmack des Weines und der Gewürze in seinem Mund war angenehm, aber da war ein bitterer Nachgeschmack. Er fühlte sich beschwipst – aber dazu war jetzt wirklich keine Zeit. Er sagte sich, dass er in der kommenden halben Stunde nur Wasser trinken und anschließend um einen starken Kaffee bitten würde.
    »Dir scheint es ja nicht besonders zu gehen«, sagte der Richter, während er sein Glas abstellte und ihn aufmerksam ansah.
    »Ging schon mal besser, aber alles im grünen Bereich!«
    Tatsächlich konnte er sich nicht daran erinnern, jemals in einem solchen Zustand von Erschöpfung und Nervosität gewesen zu sein: wie gerädert, der Kopf wie in Watte gepackt, schwindlig – und

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