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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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genauso psychopathisch ist wie sie selbst, um ihnen zu helfen, eine gewisse Fassade der Normalität zu wahren. Als Hirtmann noch frei war, gelang es ihm sehr gut, sein normales Gesellschaftsleben von dem Teil in sich abzuspalten, der von Wut und Wahn beherrscht wurde. Er führte die Menschen meisterhaft hinters Licht. Es gibt andere Soziopathen, denen das vor ihm gelungen ist, aber keiner übte einen Beruf aus, der gesellschaftlich so sichtbar war wie seiner.«
    Propp stand auf und ging langsam um den Tisch herum. Mit wachsender Verärgerung erriet Servaz, dass das ein weiterer seiner psychologischen Taschenspielertricks war.
    »Man verdächtigt ihn, innerhalb von fünfundzwanzig Jahren über vierzig junge Frauen ermordet zu haben. Vierzig Morde und nicht die leiseste Spur, nicht die kleinste Fährte, die sie mit dem Täter in Verbindung bringen würde! Ohne die Presseartikel und die Akten, die er bei sich oder in seinem Banksafe aufbewahrt hatte, wäre man nie auf ihn gekommen.«
    Er blieb hinter Servaz stehen, der sich nicht zu ihm umwandte und Irène Ziegler auf der anderen Seite des Tischs betrachtete.
    »Und plötzlich hinterlässt er eine deutliche, krasse und banale Spur.«
    »Sie vergessen ein Detail«, sagte Ziegler.
    Propp setzte sich wieder.
    »Damals, als er die meisten seiner Morde beging, gab es noch keine Verfahren der DNA -Analyse, oder zumindest waren sie noch nicht so leistungsfähig wie heute.«
    »Das stimmt, aber …«
    »Sie sind also der Meinung, dass die aktuellen Vorfälle nicht im Geringsten nach dem Hirtmann aussehen, den wir bislang gekannt haben, verstehe ich Sie richtig?«, sagte Ziegler und sah dem Psychologen tief in die Augen.
    Propp blinzelte und nickte zustimmend.
    »Also glauben Sie, dass er das Pferd nicht getötet hat, obwohl seine DNA am Tatort gefunden wurde?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Vergessen Sie nicht, dass er seit sieben Jahren eingesperrt ist. Er lebt jetzt unter ganz anderen Umständen. Hirtmann ist seit Jahren hinter Gittern, und er stirbt vor Langeweile. Er verzehrt sich auf kleiner Flamme – er, der früher ein so tatkräftiger Mensch war. Er hat Lust zu spielen. Denken Sie mal: Bevor er wegen dieses dummen Eifersuchtsmords aufflog, hatte er ein intensives, anregendes, anspruchsvolles gesellschaftliches Leben. Er war in seinem Beruf hoch angesehen. Er hatte eine sehr schöne Frau, und er organisierte Sexorgien, die von der Creme der guten Genfer Gesellschaft frequentiert wurden. Parallel dazu entführte, folterte, vergewaltigte und tötete er junge Frauen in größter Heimlichkeit. Anders gesagt, für ein Monster wie ihn war das das ideale Leben. Er wollte bestimmt nicht, dass das aufhört. Das ist der Grund, weshalb er die Leichen mit so viel Sorgfalt verschwinden ließ.«
    Propp legte unter seinem Bart die Fingerspitzen zusammen.
    »Heute hat er gar keinen Grund mehr, sich zu verstecken. Im Gegenteil: Er will, dass man weiß, dass er der Täter ist. Er will, dass man über ihn spricht, er will die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.«
    »Er hätte endgültig ausbrechen und seine Umtriebe in Freiheit fortsetzen können«, wandte Servaz ein. »Weshalb sollte er in seine Zelle zurückkehren? Das macht keinen Sinn.«
    Propp kratzte sich den Bart.
    »Ich gebe zu, dass dies auch die Frage ist, die mich seit gestern umtreibt. Weshalb ist er in die Klinik zurückgekehrt? Denn es bestand ja ganz offenkundig die Gefahr, dass er nicht mehr rauskommen würde, weil die Sicherheitsmaßnahmen verschärft wurden. Warum sollte er ein solches Risiko eingehen? Zu welchem Zweck? Sie haben recht: Das ergibt keinen Sinn.«
    »Es sei denn, das Spiel würde ihn mehr reizen als die Freiheit«, sagte Ziegler.
»Oder aber er ist sicher, dass er wieder ausbrechen kann …«
    »Wie sollte er?«, wunderte sich Espérandieu.
    »Ich dachte, Hirtmann hätte den zweiten Mord angesichts des Polizeiaufgebots unmöglich begehen können«, gab Servaz zu bedenken. »Waren wir uns da nicht gerade einig?«
    Der Psychologe sah sie nacheinander an, wobei er weiterhin versonnen seinen Bart kraulte. Hinter seiner Brille glichen seine kleinen gelblichen Augen zwei überreifen Weinbeeren.
    »Ich glaube, dass Sie diesen Mann gewaltig unterschätzen«, sagte er. »Ich glaube, dass Sie nicht den leisesten Schimmer haben, mit wem Sie es hier zu tun haben.«
     
    »Die Wachleute«, warf Cathy d’Humières ein. »Was haben wir über sie?«
    »Nichts«, antwortete Servaz. »Ich halte

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