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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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haben weniger Rechte als andere Bürger. Sie wollen einen Verbrecher festnehmen? Da müssen Sie bis sechs Uhr früh warten. Wenn einer aber von seinem Nachbarn für verrückt gehalten wird und wenn dieser Nachbar einen Antrag auf Zwangseinweisung gestellt hat, dann kann die Polizei zu jeder beliebigen Tages- und Nachtzeit zugreifen. Die Justiz kommt erst ins Spiel, wenn der Person ihre Freiheit schon entzogen wurde. Und das auch nur, wenn diese Person ihre Rechte kennt und weiß, wie sie sie durchsetzen kann … Das ist die Psychiatrie in diesem Land. Das und die Unterfinanzierung, der Missbrauch von Neuroleptika, unangemessene Therapien … Unsere psychiatrischen Kliniken sind rechtsfreie Zonen. Und das gilt ganz besonders für diese Einrichtung …«
    Bitter hatte diese lange Tirade geklungen, und alles Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. Er stand auf und schob seinen Stuhl zurück.
    »Sehen Sie sich überall um und bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil«, riet er ihr.
    »Mein eigenes Urteil worüber?«
    »Über das, was hier vorgeht.«
    »Weil hier etwas vorgeht?«
    »Was soll’s? Sie wollten mehr darüber wissen, oder?«
    Sie sah ihm nach, wie er sein Tablett zurückbrachte und den Raum verließ.
     
    Als Erstes ließ Servaz die Jalousie herunter und schaltete die Neonröhren an. Er wollte nicht, dass ein Journalist mit einem Teleobjektiv Bilder von ihnen schoss. Der junge Comicautor war nach Hause gegangen. Im Besprechungszimmer hatten Espérandieu und Ziegler ihre Notebooks herausgeholt und tippten darauf herum. Cathy d’Humières stand in einer Ecke des Zimmers und telefonierte. Dann schaltete sie das Handy aus und setzte sich an den Tisch. Servaz warf den anderen einen kurzen Blick zu und wandte sich dann um.
    In einer Ecke beim Fenster stand eine weiße Tafel. Er schob sie ins helle Licht, nahm einen Textmarker und zeichnete zwei Spalten:
     
    Pferd
Grimm
zerstückelt
nackt
enthauptet
stranguliert
Finger abgeschnitten,
Stiefel, Cape
nachts getötet?
nachts getötet?
DNA Hirtmann
DNA Hirtmann?
     
    »Genügt das, um in Erwägung zu ziehen, dass die beiden Taten von denselben Personen begangen wurden?«, fragte er.
    »Es gibt Ähnlichkeiten, und es gibt Unterschiede«, antwortete Ziegler.
    »Immerhin handelt es sich um zwei Verbrechen, die im Abstand von vier Tagen in derselben Stadt begangen wurden«, sagte Espérandieu.
    »Gut. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass es einen zweiten Verbrecher gibt. Es ist bestimmt ein und dieselbe Person.«
    »Oder dieselben Personen«, präzisierte Servaz. »Vergessen Sie nicht unser Gespräch im Hubschrauber.«
    »Das vergesse ich nicht. Jedenfalls gibt es da etwas, das uns definitiv erlauben würde, die beiden Verbrechen miteinander zu verbinden …«
    »Die DNA von Hirtmann.«
    »Die DNA von Hirtmann«, bestätigte sie.
    Servaz spreizte die Lamellen der Jalousie. Er warf einen Blick nach draußen und ließ sie unter einem kurzen, dumpfen Rasseln zurückschnellen.
    »Glauben Sie wirklich, dass er das Institut unbemerkt verlassen konnte?«, fragte er und drehte sich um.
    »Nein, unmöglich. Ich habe die Sicherheitsvorkehrungen selbst überprüft. Er konnte nicht durch die Maschen schlüpfen.«
    »Dann ist Hirtmann also nicht der Täter.«
    »Jedenfalls nicht dieses Mal.«
    »Wenn es Hirtmann dieses Mal nicht war, dann war er es vielleicht auch das vorige Mal nicht«, meinte Espérandieu.
    Alle Köpfe wandten sich ihm zu.
    »Hirtmann ist nie zur Bergstation der Seilbahn hinaufgefahren. Jemand anderes hat es getan. Jemand, der am Institut in Kontakt mit ihm ist und der, absichtlich oder nicht, ein Haar von ihm mitgenommen hat.«
    Ziegler warf Servaz einen fragenden Blick zu. Sie begriff, dass er seinem Stellvertreter nicht alles gesagt hatte.
    »Außer dass in der Kabine der Seilbahn weder ein Kopf- noch ein Körperhaar gefunden wurde«, stellte sie klar, »sondern Speichel.«
    Espérandieu sah sie an. Dann ließ er seinen Blick zu Servaz schweifen, der den Kopf neigte, wie um sich zu entschuldigen.
    »Für mich ist das alles nicht logisch«, sagte er. »Warum sollte jemand zuerst ein Pferd und anschließend einen Menschen töten? Warum sollte jemand dieses Tier an der Bergstation einer Seilbahn aufhängen? Und den Mann unter einer Brücke? Was hat das für einen Sinn?«
    »In gewisser Weise wurden die beiden gehängt«, sagte Ziegler.
    Servaz beobachtete sie.
    »Ganz genau.«
    Er näherte sich der Tafel, wischte einige Einträge aus und

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