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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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teilnehmen müssen, und er wusste, dass sich in einem bestimmten Moment – wenn der Rechtsmediziner den Bauch öffnete und Proben aus den Eingeweiden nahm: Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse, Darm – Gerüche im Saal ausbreiteten, die für eine normale Nase unerträglich waren.
    Grimms sterbliche Überreste erwarteten sie auf dem leicht schrägen Sektionstisch, der mit einem Abflussloch und einem Schlauch versehen war. Ein recht einfaches Modell, verglichen mit den großen hydraulischen Tischen, die Espérandieu an der Uniklinik Toulouse gesehen hatte. Außerdem lag die Leiche erhöht auf mehreren Querstangen, um zu verhindern, dass sie in ihren eigenen biologischen Flüssigkeiten badete.
    »Da sind zunächst einmal die Zeichen, die man bei jedem mechanischen Erstickungstod beobachtet …«, hob Delmas ohne weitere Verzögerung an, während er den beweglichen Arm der Lampe über der Leiche verschob.
    Er deutete auf die blauen Lippen des Apothekers, dann auf die Ohrmuschel, die ebenfalls blau geworden war:
    »… die bläuliche Färbung der Schleimhäute und der Integumente …«
    Er deutete auf das Innere der getackerten Lider:
    »Hyperämie der Bindehäute …«
    Er deutete auf das geschwollene, violette Gesicht des Apothekers:
    »Die Blutstauung durch das Cape … Leider sind diese Zeichen aufgrund des Zustands des Gesichts kaum zu erkennen«, sagte er zu Cavalier, dem es schwerfiel, die blutige Brühe anzusehen, aus der die beiden vorstehenden Augen herausragten. »Auf der Oberfläche der Lunge und des Herzens werden wir Petechien – stecknadelkopfgroße Blutungen – finden. Das sind klassische Symptome. Sie deuten lediglich auf ein unspezifisches Erstickungssyndrom hin: Das Opfer ist an einer mechanischen Asphyxie gestorben, der ein mehr oder minder langer Todeskampf voranging. Aber sie liefern keinerlei weiter gehenden Informationen über die Todesursache.«
    Delmas nahm seine Brille ab, um sie zu putzen, dann setzte er sie wieder auf. Er trug keinen Mundschutz. Er roch nach Eau de Cologne und der keimtötenden Seife. Er war ein kleiner Mann mit fülligen, glatten rosa Wangen und vorspringenden, großen blauen Augen.
    »Wer das getan hat, besaß offensichtlich bestimmte medizinische oder jedenfalls anatomische Kenntnisse«, erklärte er. »Er entschied sich für die Vorgehensweise, die die längste und schmerzhafteste Agonie herbeiführte.«
    Delmas deutete mit einem seiner Wurstfinger auf die Furche, die der Gurt im Hals des Apothekers hinterlassen hatte.
    »Pathophysiologisch gesehen, gibt es drei Mechanismen, die den Tod durch Erhängen herbeiführen können. Der erste ist der vaskuläre Mechanismus, das heißt, dass das Blut durch gleichzeitigen Verschluss der beiden Halsschlagadern das Gehirn nicht mehr erreicht. Das geschieht, wenn sich die Schlinge auf der Rückseite, im Nacken befindet. In diesem Fall wird die Sauerstoffversorgung des Gehirns direkt unterbunden, die Bewusstlosigkeit tritt fast augenblicklich ein, gefolgt von einem schnellen Tod. Allen, die sich erhängen wollen, kann man nur dringend empfehlen, den Knoten im Nacken zu plazieren«, fügte er hinzu.
    Espérandieu hatte aufgehört, sich Notizen zu machen. Mit dem Humor der Rechtsmediziner hatte er grundsätzlich seine Probleme. Cavalier seinerseits trank buchstäblich die Worte seines Kollegen.
    »Zweitens gibt es den neurologischen Mechanismus: Wenn unser Mann den Apotheker in den Abgrund geschleudert hätte, statt ihn allmählich hinabzulassen, indem er die Riemen an seinen Handgelenken abwickelte, hätten die durch den Schock verursachten Rückenmarksverletzungen, das heißt die Verletzungen des verlängerten Marks und des Rückenmarks, den sofortigen Tod ausgelöst. Aber das hat er nicht getan …«
    Hinter der Brille suchten die großen hellblauen Augen die von Espérandieu.
    »O nein, junger Mann!
Das hat er nicht getan …
Unser Mann ist raffiniert: Er hat den Knoten sorgfältig an der Seite plaziert. Auf diese Weise wird das Gehirn wenigstens über eine der Halsschlagadern – diejenige, die dem Knoten gegenüberliegt – weiterhin mit Blut versorgt. Die Gurte an den Handgelenken verhinderten im Übrigen eine traumatische Verletzung des Rückenmarks. Unser Mann wusste sehr genau, was er tat, glauben Sie mir. Dieser arme Kerl muss einen sehr, sehr langen Todeskampf durchgemacht haben.«
    Er ließ seinen Wurstfinger über die tiefe Furche im Hals gleiten.
    »Jedenfalls wurde er gehängt. Sehen Sie: Die Furche verläuft

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