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Schwarzer Schwan

Schwarzer Schwan

Titel: Schwarzer Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Eckert
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Musik übertönte alles.
    Dominik stürmte die Küche. Ein geöffnetes Fenster ging auf den Hof, die Morgensonne blendete. Im Rahmen zeichnete sich die Silhouette eines dünnen Mannes ab, der sich offenbar nicht zu springen traute. Plötzlich wandte er sich gegen Dominik, etwas Dunkles in der Hand, und kam näher.
    Dominik zögerte nicht und schoss.
    Der Kerl schwankte, tat noch zwei unsichere Schritte und griff nach Dominik. Doch die Finger hatten keine Kraft mehr. Der Mann brach zusammen.
    Dominik staunte, dass ihm der eigene Schuss so leise vorgekommen war.
    Das Deckenlicht ging an und Jochen trat hinzu. Dominik drehte den Verletzten auf den Rücken und wusste sofort, dass er den Falschen angeschossen hatte. Das Dunkle in der Hand war ein harmloses Ledertäschchen gewesen. Es lag neben dem Mann, die Schlaufe wand sich noch um das Gelenk.
    Die nächsten Augenblicke fehlten in Dominiks Erinnerung, Filmriss für ein paar Sekunden. Später erzählte ihm Jochen, dass er versucht habe, den Puls seines Opfers zu fühlen. Dass er dabei geheult und am ganzen Leib geschlottert habe. Dass ihm der Schweiß ausgebrochen sei und er sich auf den Boden hocken musste, um nicht umzukippen.
    Dann verstummte endlich der Lärm, weil Jochen die Musikanlage gefunden hatte. Daran erinnerte sich Dominik wieder ganz genau: Wie sein Kollege die Schubladen des Küchenschranks durchwühlte, bis er ein langes, gezacktes Brotmesser fand, das er mit einem Geschirrtuch anfasste und dem Verletzten in die Finger drückte, bevor er endlich den Notarzt verständigte.
    Dominik spürte bis heute Jochens Hand auf seiner Schulter und hörte seine Stimme, eindringlich und beschwörend: Gleich kommen die Kollegen vom KK 11. Du wirst das Bedürfnis haben zu reden, aber sag besser nichts. Du hattest einen Blackout, hörst du? Das wird jeder verstehen. Überlass mir das Reden.
    Für die Unterstützung in dieser schwarzen Stunde würde Dominik seinem Partner auf ewig dankbar sein.
    Irgendwann trafen die Mordermittler ein. Schranz hieß der Typ, der das Wort führte. Er ließ Dominik noch in der Wohnung Hemd und Hose ausziehen und klebte seine Hände mit Folie ab, um Schmauchspuren zu asservieren.
    Danach musste Dominik stundenlang im Streifenwagen warten, in eine Decke gewickelt, während die Passanten ihn beglotzten wie einen Affen im Zoo.
    Drei Tage später starb Dennis Raabe an den Folgen des Bauchschusses, den Dominik ihm zugefügt hatte. In erwiesener Notwehr, wie die KK-11-Kollegen in ihrem Abschlussbericht konstatierten. Jochens Aussage hatte Dominik den Job gerettet, wenn nicht noch mehr.
    Nicht selten wünschte sich Dominik seitdem, sein Leben für das von Raabe geben zu können. Der unglückliche Kerl hatte Asanovic aufgesucht, weil er ein Tütchen Gras kaufen wollte – Raabes erster und letzter Kontakt mit einem Dealer. Während sich Nellys Mörder durch einen Sprung aus dem Fenster der Festnahme zum zweiten Mal hatte entziehen können, war dem Unglücksvogel der Abstand zum Garagendach zu groß gewesen.
    Dennis Raabe, kaufmännischer Angestellter der Düsseldorfer Stadtwerke, hinterließ Frau und Zwillinge und den schicken BMW-Roadster vor Jimmys Haustür.
    Und die Suche nach Asanovic hatte von Neuem begonnen.
    Die Trainerin berührte Dominiks Schulter. »Hörst du nicht? Es reicht!«
    Dominik wischte sich über das Gesicht und starrte auf die dunkle Wand mit dem grauen Oval. Lichtpunkte wie ein Sternbild. Er richtete die Walther gegen den Boden – sie wackelte in seiner Hand.
    »Das war schon der zehnte Fehlschuss«, sagte sie.
    Dominik steckte die Waffe weg, nahm Brille und Gehörschutz ab und wandte sich zum Ausgang.
    »Erst die Löcher abdecken!« Die Trainerin reichte ihm die Folie mit den Klebepunkten.
    Dominik glaubte, die Blicke der Kollegen in seinem Rücken zu spüren.
    »Und jetzt?«, fragte er, als er fertig war.
    Die Trainerin trug etwas in ein Formular ein und sah nicht auf dabei. »Kein Drama. Du machst zeitnah die Nachprüfung. Wir geben dir einen Einzeltermin. Das kriegen wir schon hin.«
    Dominik stieg in sein Auto, legte die Hände auf das Lenkrad und wartete, bis er sich besser fühlte. Im Rückspiegel entdeckte er ein weißes Haar in der Augenbraue. Er versuchte, es auszureißen, erwischte es aber nicht.
    Nur zwei Wochen nach der Sache mit Raabe hatte ihm der damalige Dienstgruppenleiter einen Termin zum Schießtraining zugeteilt. Ein Versuch, Dominik zurück zur Normalität zu verhelfen, der gründlich misslang. Vor den

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