Schwarzer Skorpion - Thriller (German Edition)
mit seinem Verfolger gesehen hatte. Der Fahrer war schon auf dem übernächsten Hausdach, drehte sich um und schoss mit seiner Pistole mit Schalldämpfer, verfehlte David aber deutlich. Dann drehte er sich um und sprang immer weiter über die Hausdächer, rannte an Satellitenschüsseln vorbei und unter Wäscheleinen hindurch. David hetzte hinterher und hatte für einen kurzen Augenblick den Eindruck, als würde der Mann sein Tempo verlangsamen und ihm zuwinken, ehe er auf das nächste Flachdach sprang.
Als David die Brüstung dieses flachen Hausdaches erreicht hatte, wusste er auch, warum der Mann langsamer geworden war, doch er hatte keine Zeit mehr, in Deckung zu gehen. Der Mann drehte sich um die eigene Achse wie ein Tänzer, brachte dabei seine Waffe in Anschlag und schoss sofort. Zwei Kugeln trafen David in der Brust, durch die Schläge wurde er nach hinten geworfen und landete schmerzhaft auf dem Boden, bekam für einen kurzen Augenblick keine Luft und seine Brust schmerzte wie Feuer. Der Mann stieg auf die Brüstung und visierte David an. Das Gesicht des Mannes wurde vom Mondlicht erhellt, doch es war David völlig unbekannt. Nur die tief liegenden schwarzen Augen erinnerten ihn an jemanden.
Als der Mann feuerte, hatte David den Rucksack als Schutzschild vor seinen Kopf geschoben und rollte schnell hinter eine Satellitenschüssel. Von dort eröffnete er das Feuer, um den Schützen in der Defensive zu halten. Gebückt machte der Mann kehrt und raste wieder über die Dächer. Noch immer leuchtete der Mond kalt und teilnahmslos von einem sternenklaren Himmel und die Silhouetten der Berge waren als Schattenrisse zu erahnen. Dann tat sich plötzlich eine Baulücke in der Häuserzeile auf und der Mann musste stehen bleiben.
Wieder drehte der Mann sich in Davids Richtung, lächelte kurz und steckte seine Pistole hinten in seinen Hosenbund. Dann zog der Mann eine silberne Halskette mit einem Anhänger aus seinem T-Shirt und küsste den Anhänger. Er zögerte keinen Augenblick, sondern sprang quer über die Straße in ein tiefer liegendes Fenster auf der anderen Straßenseite. Mit einem lauten Klirren splitterte die Scheibe, als der Mann mit den Füßen zuerst durch das bis zum Boden reichende französische Fenster in das Zimmer segelte.
Bei dem Sprung verhedderte sich seine Hose an dem schmiedeeisernen Geländer. Mit einem leisen Ratsch riss der Stoff und ein rechteckiger Gegenstand fiel auf die Straße hinunter, landete direkt in einen Plastiksack mit Müll. Alles passierte innerhalb von Sekunden und David war sich auch nicht sicher, ob der Mann tatsächlich etwas verloren hatte oder ob es nur Einbildung war. Er sah noch einen Schatten, der aufsprang, durch eine Tür raste, dann war der Mann auch schon verschwunden.
Außer Atem setzte sich David auf die Brüstung eines Flachdachs, versuchte, die Eindrücke logisch einzuordnen: Die schwarzen, tief liegenden Augen des Mannes und die Geste, als er das Medaillon küsste: Die Erinnerung an eine Operation vor fünf Jahren kehrte zurück:
Eine geheime Einsatzbesprechung der Abteilung in Assuan. David und seine Frau Jane als Touristen auf den Spuren von Agatha Christie, François und Henri Duprés als schwules Pärchen und Schneider als deutscher Lehrer mit Sonnenbrand. Ihr Auftrag lautete, den serbischen Kriegsverbrecher Malovic aus der sudanesischen Hauptstadt Khartoum zu entführen und ihn über Assuan nach Den Haag zu überstellen. Malovic residierte in einer alten Medersa, einer aufgelassenen Koranschule, in Khartoum und es war nur möglich, mit einem Fallschirm in den Innenhof zu gelangen. Henri und David waren die Fallschirmspringer, David auch der Schütze für die Rückendeckung, Jane und François waren für die Logistik zuständig und Schneider für das Schnellboot zur Flucht. Der Plan war aufgegangen und Malovic in Den Haag zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
„Mon cher ami David“, hatte Henri damals geflüstert und sein Medaillon geküsst, ehe sie sich wie Basejumper in die Medersa gestürzt hatten. Genau dieselbe Geste hatte der Mann jetzt gemacht, ehe er in die Wohnung auf der gegenüberliegenden Straßenseite gesprungen war. Jeder Zweifel war ausgeschlossen: David war Henri Duprés, dem Skorpion, begegnet.
Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, sich darüber weitere Gedanken zu machen, denn überall in der Straße gingen die Lichter an und laute Rufe waren zu hören. David hastete gebückt über die Dächer, bis zu dem Haus mit den beiden
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