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Schwarzer Sonntag

Schwarzer Sonntag

Titel: Schwarzer Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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der linken Hand hielt er die kurze Brechstange, die Larmoso hatte fallen lassen, als Hassan ihn an den Lattenkisten überraschte. In der rechten Hand hielt er die Walther PPK-Automatic, die er zu spät gezogen hatte. Er durfte die Waffe jetzt nicht abfeuern. Irgend jemand würde den Schuß vielleicht hören. Wenn der Verräter Larmoso wieder in den Laderaum kam, mußte er glauben, Hassan sei tot.
    Die Nase der Ratte berührte jetzt beinahe sein Kinn. Der schwache Atem des Mannes bewegte ihre Barthaare.
Mit aller Kraft stieß Hassan die Brechstange quer über seine Brust und fühlte, wie sie die Ratte in die Seite traf. Die Krallen drückten sich in seine Schulter, als die Ratte von ihm heruntersprang. Er hörte sie über die Eisenplatten davonlaufen.
Minuten vergingen. Dann nahm er ein leises Rascheln wahr. Er glaubte, daß es vom Innern seines Hosenbeins kam. Aber er konnte von der Taille abwärts nichts mehr fühlen, und er war dankbar dafür.
Er war jetzt ständig in Versuchung, seinem Leben ein Ende zu machen. Noch hatte er die Kraft, die Walther an seine Schläfe zu halten. Er würde es tun, sagte er sich, sobald Muhammad Fasil kam. Bis dahin mußte er die Kisten bewachen.
Hassan wußte nicht, wie lange er schon in der Dunkelheit lag. Er ahnte, daß sein Geist diesmal nur ein paar Minuten lang klar sein würde, und er versuchte nachzudenken. Die Leticia war noch gut drei Tage von den Azoren entfernt gewesen, als er Larmoso dabei ertappt hatte, wie er an den Kisten herumschnüffelte. Wenn Muhammad Fasil am 2. November nicht wie vereinbart ein Telegramm von Hassan von den Azoren bekam, hatte er zwei Tage Zeit zum Handeln, ehe die Leticia wieder in See ging. Danach würde sie erst wieder den Hafen von New York anlaufen.
Fasil wird etwas unternehmen, dachte Hassan. Und ich werde ihn nicht enttäuschen.
Jede Kolbenbewegung des alten Dieselmotors der Leticia ließ die Decksplatten unter seinem Kopf vibrieren. Hinter seinen Augen breiteten sich wieder die roten Wellen aus. Er bemühte sich angestrengt, das Stampfen des Diesels wahrzunehmen, und er glaubte, es sei der Puls Gottes.
Zwanzig Meter über dem Laderaum, in dem Hassan lag, ruhte sich Kapitän Kemal Larmoso in seiner Kajüte aus. Er trank eine Flasche Sapporo-Bier und hörte Nachrichten. Die libanesische Armee und die Guerillas bekämpften sich wieder einmal. Nur zu, dachte er. Mochten sie sich gegenseitig zerfleischen.
Er fühlte sich von beiden Seiten bedroht. Die Libanesen konnten ihm seine Papiere abnehmen und die Guerillas konnten ihn umbringen. Wenn er Beirut, Tyr oder Tobruk anlief, mußte er beiden Parteien etwas bezahlen. Den Guerillas nicht ganz so viel wie den verfluchten libanesischen Zollbeamten.
Jetzt konnte er sich bei den Guerillas auf etwas gefaßt machen. Von dem Augenblick an, als Hassan ihn an den Kisten erwischt hatte, war ihm klar, daß er sich kompromittiert hatte. Fasil und die anderen würden hinter ihm her sein, wenn er wieder nach Beirut kam. Vielleicht hatten die Libanesen von König Hussein gelernt und würden die Guerillas aus dem Land vertreiben. Dann brauchte er nur noch den Zollbeamten Geld zu geben. Er hatte es satt. »Bring ihn dorthin!« - »Hol die Waffen!«
- »Und kein Wort!« Ich weiß, was passiert, wenn man den Mund aufmacht, dachte Larmoso. Mein Ohr ist nicht vom hastigen Rasieren so geworden, wie es jetzt ist. Und einmal hatte er eine Haftmine am Rumpf der Leticia entdeckt, die jeden Augenblick gezündet werden konnte, falls er die Forderungen der Guerillas zurückwies.
Larmoso war groß und dick und dicht behaart. Sein Körpergeruch trieb selbst seiner Mannschaft die Tränen in die Augen. Er war so schwer, daß die Matratze seiner Koje, auf der er jetzt lag, fast bis zum Boden durchsackte. Er öffnete mit den Zähnen eine zweite Flasche Sapporo, und während er sie grübelnd trank, waren seine klugen Augen auf ein doppelseitiges Pornobild aus einem italienischen Magazin gerichtet, das mit Klebestreifen am Schott befestigt war.
Schließlich nahm er die Madonnenfigur, die neben seiner Koje auf dem Boden stand, und stellte sie auf seine breite Brust. Sie war etwas zerkratzt an der Stelle, wo er sie mit seinem Messer untersucht hatte, ehe ihm klargeworden war, woraus sie bestand.
Larmoso wußte von drei Möglichkeiten, wie er Sprengstoff zu Geld machen konnte. In Miami lebte ein Exilkubaner, der mehr Geld als Verstand besaß. In der Dominikanischen Republik gab es einen Mann, der bereit war, für alles, was schoß oder

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