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Schwarzer Sonntag

Schwarzer Sonntag

Titel: Schwarzer Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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sagt mir die Wahrheit. Er lügt nicht. Darüber ist er längst hinaus«, sagte sie. »Ich habe zwei Monate mit ihm zusammen gelebt. Ich weiß es.«
»Es ist ja auch ein unwichtiger Punkt«, sagte Ali. »Es gibt, was seine Person betrifft, andere Dinge, die wesentlich interessanter sind.«
In der folgenden halben Stunde fragte Ali sie nach den intimsten Einzelheiten im Verhalten des Amerikaners aus. Als er schließlich aufhörte, hatte Dahlia das Gefühl, daß ein bestimmter Geruch im Zimmer hing. Und dieser Geruch, ob real oder nur eingebildet, versetzte sie zurück in das palästinensische Flüchtlingslager in Tyr. Plötzlich war sie wieder ein acht Jahre altes Mädchen und rollte das feuchte Bettzeug zusammen, in dem ihre Mutter und der Mann, der ihnen manchmal etwas zu essen brachte, in der nächtlichen Dunkelheit gemeinsam geächzt hatten.
Jetzt setzte Fasil das Verhör fort. Er hatte die derben, kräftigen Hände des Technikers, und an den Fingerspitzen hatte er kleine Schwielen. Er saß leicht vorgebeugt auf seinem Stuhl. Neben ihm auf dem Boden stand seine kleine Tasche.
»Hat der Amerikaner schon mit Sprengstoff zu tun gehabt?«
»Nur mit gefertigtem militärischem Material. Aber er hat alles sorgfältig und bis ins kleinste Detail geplant. Sein Plan sieht vernünftig aus«, antwortete Dahlia.
»Er sieht für dich vernünftig aus, Genossin. Vielleicht, weil du so eng in die Sache verwickelt bist. Wir werden sehen, wie vernünftig er ist.«
In diesem Augenblick wünschte sie, der Amerikaner wäre zugegen. Sie wünschte, diese Männer könnten seine bedächtige Stimme hören, während er Schritt um Schritt sein schreckliches Projekt in eine Reihe klar umrissener Probleme zerlegte und für jedes eine Lösung angab.
Sie holte tief Luft und begann über die technischen Probleme zu sprechen, die der Plan mit sich brachte, 80000 Menschen, darunter den neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten, auf einen Schlag zu töten, während die ganze Nation am Fernsehschirm zusah.
»Die Schwierigkeit ist das Gewicht«, sagte Dahlia. »Wir müssen uns auf 600 Kilo plastique beschränken. Gebt mir eine Zigarette, bitte, und einen Kugelschreiber und Papier.«
Über den Schreibtisch gebeugt, zeichnete sie eine flache Kurve, die dem Querschnitt einer Schale glich. Innerhalb dieser Kurve und ein wenig darüber zeichnete sie eine zweite, kleinere Kurve mit dem gleichen Parameter.
»Das ist das Ziel«, sagte sie und deutete auf die größere Kurve. Dann glitt die Spitze des Kugelschreibers zu der kleineren Kurve. »Das Prinzip der Hohlladung ist -«
»Ja, ja«, fauchte Fasil ungeduldig. »Wie eine große ClaymoreMine. Sehr einfach. Und die Dichte der Zuschauer?«
»Sie sitzen Schulter an Schulter, und sie sind in diesem Winkel von der Hüfte aufwärts völlig exponiert. Ich muß wissen, ob das plastique-«
»Genosse Nadscheer wird dir sagen, was du wissen mußt«, erklärte Fasil in arrogantem Ton.
Dahlia fuhr ungerührt fort. »Ich muß wissen, ob der Sprengstoff, den Genosse Nadscheer mir vielleicht zu geben beabsichtigt, in Hülsen abgepacktes plastique mit Stahlkugeln ist, wie es eine Claymore enthält. Die Gewichtsangabe bezieht sich ausschließlich auf das plastique. Die Hülsen und diese Art Schrapnell wären unbrauchbar.«
»Warum?«
»Wegen des Gewichts natürlich.« Sie hatte Fasils Fragen satt.
»Und wenn du kein Schrapnell hast? Was dann, Genossin? Falls du auf die Druckwirkung zählst, gestatte mir, dich davon in Kenntnis zu setzen, daß -«
»Gestatte mir, dich in Kenntnis zu setzen, Genosse. Ich brauche deine Hilfe, und ich lege Wert darauf. Ich behaupte nicht, daß ich deine Sachkenntnis besitze. Aber du und ich, wir stehen doch nicht in einem Wettstreit. Für Eifersüchteleien ist kein Platz in der Revolution.«
»Sag ihr, was sie wissen will«, sagte Nadscheer in scharfem Ton.
Sofort sagte Fasil: »Das plastique ist nicht mit Schrapnell abgepackt. Was willst du verwenden?«
»Das Äußere der Hohlladung wird mit mehreren Schichten von Luftgewehrbolzen bedeckt sein. Der Amerikaner meint, daß sie über 150 Grad vertikal durch einen horizontalen Bogen von 260 Grad streuen werden. Jedenfalls läuft es auf einen Durchschnitt von 3,5 Projektilen pro Person in der Vernichtungszone hinaus.«
Fasils Augen weiteten sich. Er hatte gesehen, wie eine amerikanische Claymore-Mine, nicht größer als ein Schulbuch, einen blutigen Pfad durch eine Kolonne vormarschierender Truppen sprengte und das Gras ringsherum in Schwaden

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