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Schwarzer Sonntag

Schwarzer Sonntag

Titel: Schwarzer Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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der kleinere?«
»Der kleinere sagte nichts.«
»Ist es möglich, daß der kleinere eine Frau war?«
Der Araber wurde rot. Er wollte nicht zugeben, daß er vor einer Frau Angst gehabt hatte. Das war undenkbar.
»Der Libanese hatte eine Pistole auf Sie gerichtet, und Sie sahen Ihre Verwandten in Gefahr - deshalb haben Sie doch sicher nur mitgemacht, nicht wahr, Fawzi?« sagte Kabakov sanft und freundlich.
»Der kleinere könnte auch eine Frau gewesen sein«, sagte Fawzi schließlich.
»Haben Sie ihre Hände gesehen?«
»Sie hatte Handschuhe an. Aber ihre Maske hatte im Nacken eine kleine Ausbuchtung. Das könnten die Haare gewesen sein. Und dann noch der Hintern.«
»Der Hintern?«
»Rund, verstehen Sie. Breiter als bei einem Mann. Aber es könnte ja auch ein rundlicher Junge gewesen sein.«
Moschevsky stöberte gerade im Kühlschrank herum und nahm sich eine Flasche Bier heraus. Hinter der Flasche fand er etwas. Er holte es heraus und gab es Kabakov.
»Verlangte es Kapitän Larmosos Religion, daß er eine Madonna im Kühlschrank aufbewahrte?« fragte Kabakov und hielt Fawzi die mit dem Messer angekratzte Figur dicht vors Gesicht.
Fawzi betrachtete sie ehrlich verständnislos und mit dem Widerwillen, den Moslems beim Anblick von Heiligenbildnissen empfinden. Nachdenklich schnupperte Kabakov an der Madonnenfigur und bohrte den Daumennagel hinein. Plastiksprengstoff. Larmoso hatte gewußt, was es war, kannte aber die Eigenschaften dieses Sprengstoffs nicht genau, kombinierte er. Der Kapitän hatte gedacht, es sei am sichersten, das Ding kalt zu lagern, so kalt wie den übrigen Sprengstoff unten im Laderaum. Er hätte keine Angst zu haben brauchen, dachte Kabakov und drehte die Figur in der Hand. Wenn sie sich so viel Mühe gemacht hatten, den Plastiksprengstoff zu tarnen, dann hatten sie ursprünglich vorgehabt, ihn durch den Zoll zu schmuggeln.
»Schnell, holen Sie die Schiffsbücher«, sagte Kabakov in scharfem Ton.
Nach einer Weile fand Fawzi schließlich das Manifest mit dem Ladeprotokoll. Mineralwasser, zur Einfuhr zugelassene Häute, Tafelgeschirr und - ja, da war es. Drei Kisten Heiligenfiguren. Made in Taiwan. Empfänger: Benjamin Muzi.
    Muzi hatte von den Brooklyn Heights aus beobachtet, wie die Leticia, von der Küstenwache eskortiert, langsam in den New Yorker Hafen glitt. Er fluchte in mehreren Sprachen. Was hatte Larmoso gemacht? So schnell es sein Umfang zuließ, ging Muzi zu einer Telefonzelle. Er bewegte sich mit der Würde und überraschenderweise auch mit der Anmut eines Elefanten. Muzi liebte klare Verhältnisse, und hier war vieles höchst unklar.
    Sein Leibesumfang hinderte ihn, die Zelle zu betreten. Halb in der Tür stehend, streckte er die Hand nach der Nummernscheibe aus und wählte. Er rief bei der Such- und Rettungsabteilung der Küstenwache an und gab sich als Reporter von El Diario - La Prensa aus. Ein hilfsbereiter junger Mann von der Nachrichtensammelstelle berichtete ihm, was er dem Funkverkehr an Einzelheiten über die Leticia, ihren vermißten Kapitän und die Jagd auf das Schnellboot entnommen hatte.
    Muzi fuhr die Schnellstraße von Brooklyn nach Queens entlang, von der man auf die Hafenanlagen von Brooklyn hinunterblickt. Am Kai neben der Leticia sah er Beamte vom Zollfahndungsdienst und von der Hafenpolizei stehen. Mit Erleichterung stellte er fest, daß weder der Frachter noch das Patrouillenboot den roten Schwalbenschwanzwimpel zeigte, der auf gefährliche Fracht an Bord hinwies. Entweder hatten die Behörden den Sprengstoff noch nicht gefunden oder aber das Schnellboot hatte ihn übernommen. Wenn das Schnellboot den Sprengstoff übernommen hatte, was anzunehmen war, blieb ihm noch etwas Zeit. Die Behörden würden Tage brauchen, um auf der Leticia Inventur zu machen und herauszufinden, welche Teile der Ladung fehlten. Wahrscheinlich hatte er also von Seiten der Justiz zunächst noch nichts zu befürchten. Aber von anderer Seite drohte ihm Gefahr - das wußte er nur zu gut.
    Irgend etwas war hier schiefgelaufen. Und einerlei, wer die Schuld hatte - die Guerillas würden ihm die Schuld geben. Er hatte bereits eine Viertelmillion Dollar auf einer holländischen Bank, und seine arabischen Auftraggeber würden keine Entschuldigung anerkennen. Wenn sie den Plastiksprengstoff auf See übernommen hatten, dann glaubten sie, daß er sie hatte betrügen wollen, sie schon betrogen hatte. Was hatte dieser Idiot Larmoso bloß angestellt? Was immer er getan hatte, Muzi wußte jedenfalls, daß

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