Schwarzer Sonntag
etwas deprimiert, weil es sie daran erinnerte, daß sie dem attraktiven, aber langweiligen jungen Anwalt, der neben ihr saß, sozusagen ihr Jawort gegeben hatte. Es war nicht zu befürchten, daß er sie aus ihrer Lebensbahn warf.
Das Sechzig-Dollar-Zimmer, das sie mit ihm teilte, war geschmacklos eingerichtet, und sie hatte Haare in der Badewanne entdecken müssen. Ihr sogenannter Verlobter trug ein Halstuch zum Morgenmantel und ging mit der Armbanduhr zu Bett. Großer Gott, dachte Rachel, und dabei habe ich selbst Emailringe an den Fingern.
Moschevsky trat an den Tisch. Er hatte sich seine Worte vorher sorgfältig zurechtgelegt und wollte mit einem kleinen Scherz beginnen.
»Dr. Bauman, ich sehe Sie immer nur auf Parties. Erinnern Sie sich noch an mich? Moschevsky, Israel 1967. Ich hätte Sie gern einen Augenblick gesprochen.«
»Wie bitte?«
Darauf war Moschevsky nicht mehr vorbereitet. Er zögerte, überlegte kurz und beugte sich tief zu ihr herunter, so als gelte es, einem kurzsichtigen Dermatologen sein Gesicht zu zeigen.
»Robert Moschevsky, Israel 1967. Mit Major Kabakov. Erinnern Sie sich? Im Lazarett und auf der Party?«
»Ach natürlich! Sergeant Moschevsky. In Ihrem Zivil habe ich Sie gar nicht erkannt.«
Rachels Freund und das Ehepaar starrten Moschevsky an.
»Das ist Marc Taubman. Und das ist Robert Moschevsky, ein guter Freund von mir«, sagte Rachel. »Nehmen Sie doch Platz, Sergeant.«
»Ja, tun Sie das«, sagte Marc Taubman, ihr sogenannter Verlobter, unschlüssig.
»Was in aller Welt...« Rachel wurde plötzlich ernst. »Wie geht es David?«
»Einigermaßen.« Genug der Konversation, dachte Moschevsky. Es war nicht seine Aufgabe, hier herumzusitzen und zu plaudern. Er beugte sich wieder zu ihr herunter. »Es ist dringend. Ich muß allein mit Ihnen sprechen. Bitte«, brummte er.
»Wollt ihr uns bitte entschuldigen?« Sie legte Taubman die Hand auf die Schulter, als er aufstehen wollte. »Ich bin gleich wieder da, Marc.«
Nach fünf Minuten kehrte Rachel an den Tisch zurück, um Marc Taubman zu holen. Zehn Minuten später saß er, das Kinn in die Hand gestützt, allein an der Bar. Rachel und Moschevsky jagten nach New York. Der Schnee klatschte gegen die Windschutzscheibe.
Weiter im Süden prasselte zur gleichen Zeit Regen gegen die Windschutzscheibe von Landers Kombiwagen. Dahlia Iyad fuhr den Garden State Parkway hinunter und bog dann westlich nach Lakehurst ab. Es war drei Uhr morgens, als sie Landers Haus erreichte und hineinlief. Lander trank gerade eine Tasse Kaffee. Sie legte die Spätausgabe der Daily News auf den Küchentisch und schlug die Doppelbildseite des Mittelteils auf. Das Gesicht des Mannes auf der Bahre war klar zu erkennen. Es war Kabakov.
»Es ist also Kabakov. Na, wenn schon«, sagte Lander.
»Na, wenn schon?« wiederholte Fasil, der gerade aus seinem Zimmer kam. »Er hat vielleicht noch mit Muzi geredet, hat vielleicht eine genaue Beschreibung von Ihnen. Einer von der Besatzung der Leticia muß ihn auf Muzis Spur gebracht haben. Und dann hat er bestimmt auch eine Beschreibung von mir. Er weiß vielleicht noch nicht genau, wer ich bin, aber er weiß jedenfalls von mir. Er wird sich’s schon zusammenreimen. Und er hat Dahlia gesehen. Er muß weg.«
Lander setzte seine Tasse klirrend ab. »Ach, hören Sie doch auf, Fasil. Wenn die Behörden etwas wüßten, wären sie längst hier. Ihnen geht es nur um Rache, weil er Ihren Anführer erschossen hat.«
»Im Schlaf, heimtückisch ...«
»Ihr fallt mir auf die Nerven. Deshalb sind euch die Israelis auch immer eine Länge voraus, weil ihr immer nur daran denkt, was sie euch gestern angetan haben, und euch dafür rächen wollt. Und nun wollen Sie das ganze Unternehmen aufs Spiel setzen, nur um sich zu rächen.«
»Kabakov muß sterben«, sagte Fasil mit erhobener Stimme.
»Und es ist auch nicht nur die Rache. Sie haben Angst, daß er, wenn Sie ihn jetzt nicht kriegen, solange er noch angeschlagen ist, Sie im Schlaf besuchen wird.«
Das Wort »Angst« hing zwischen ihnen im Raum. Fasil mußte alle Kraft zusammennehmen, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Ein Araber schluckt eher eine Kröte als eine Beleidigung. Fasil und Lander standen einander drohend gegenüber. Um sie abzulenken, ging Dahlia langsam auf den Küchentisch zu, goß sich eine Tasse Kaffee ein und stellte sich vor die Schublade, in der die Messer lagen.
Fasil sprach jetzt mit trockener Kehle. »Kabakov ist der beste Mann der Israelis. Sicher, wenn er stirbt, wird
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