Schwarzer Sonntag
in der Küche passieren.«
» Du hast mit Mr. Kabakov gesprochen?«
»Ja. Wir haben uns von seinem Fenster aus das Baseball-Spiel gegenüber angesehen. Auf dem Schulhof. Die Kinder spielen da jeden Morgen, ehe die Schule anfängt. Von meinem Fenster aus sehe ich nur eine große Backsteinmauer. Er kennt viele gute Witze. Soll ich Ihnen mal einen erzählen?«
»Nein, vielen Dank. Er hat mir schon genug erzählt.«
»Ich habe auch so ein Bett mit einem Zelt, und ...«
Die Schwester kam aus dem Zimmer. »Sie können jetzt reingehen.«
»Au fein«, sagte das Kind.
»Warte, Dotty«, brummte Moschevsky. »Bleib hier. Wir haben die Chips noch nicht aufgegessen.«
»Pommes frites«, sagte das Kind. »Nicht Chips.«
Als Corley eintrat, saß Kabakov aufrecht im Bett. »Bei Ihrer Morgentoilette hat man Ihnen hoffentlich auch die Ohren gewaschen. Also, wir haben die Durchsuchungsbefehle für die Leticia bekommen. Drei Männer von der Besatzung haben das Boot gesehen. An das Kennzeichen erinnert sich keiner mehr, aber das war ja sowieso gefälscht. Wir haben ein bißchen Farbe von der Stelle, wo das Boot an der Bordwand entlanggeschrammt ist. Sie wird gerade analysiert.«
Kabakov machte eine ungeduldige Handbewegung. Corley ignorierte sie und fuhr fort: »Unsere Elektronikleute haben mit dem Radarmann vom Boot des Küstenschutzes gesprochen. Sie glauben, das Boot war aus Holz. Wir wissen, daß es sehr schnell ist. Nach der Beschreibung des Motorgeräuschs zu urteilen, hatte es vermutlich Dieselmotoren mit Turbolader. Das alles paßt genau auf ein Schmugglerboot. Wir werden es früher oder später finden. Es muß schließlich irgendwo gebaut worden sein, auf einer sehr guten Werft.«
»Und der Amerikaner?«
»Noch nichts. Amerikaner gibt’s hier nämlich ziemlich viele. Die Besatzung der Leticia arbeitet an einem Identikit, um ein Bild von dem Mann zusammenzusetzen, der auf den Azoren an Bord kam. Aber wir können uns nur über einen Dolmetscher verständigen, und das geht sehr langsam, vor allem bei Beschreibungen wie ›Augen wie ein Schweinearsch‹. Ich schikke Ihnen auch ein Identikit. Dann können Sie ein Bild von der Frau zusammensetzen. Das Labor untersucht die Madonna.«
Kabakov nickte.
»Also, ich habe für halb zwölf einen Medivac-Hubschrauber bestellt. Wir fahren hier um elf los, zum Marine-Terminal auf dem Flughafen La Guardia -«
»Haben Sie einen Augenblick Zeit für mich, Mr. Corley?« fragte Rachel von der offenen Tür her. Sie hatte Kabakovs Röntgenbilder und sein Krankenblatt in der Hand und trug einen weißen Arztkittel.
»Ich könnte schon längst in der israelischen Vertretung sein«, sagte Kabakov. »Da könnten Sie nicht an mich ran. Sprechen Sie mit ihr, Corley.«
Eine halbe Stunde später sprach Corley mit dem Krankenhausdirektor. Der Direktor sprach mit dem Mann in der Pressestelle des Krankenhauses, der möglichst früh gehen wollte, weil Freitag war. Er schob deshalb nur eine Notiz unters Telefon und machte sich nicht die Mühe, den Vorgang auch noch in das Buch einzutragen, nach dem er bei Anfragen Auskunft über das Befinden der Patienten gab.
Die Fernsehredakteure, die ihre Achtzehn-Uhr-Nachrichten zusammenstellten, riefen nachmittags an, um sich nach dem Befinden der verschiedenen Unfallopfer zu erkundigen. Das Mädchen am Telefon warf einen Blick auf die Notiz und sagte, »Mr. Kabov« sei per Hubschrauber ins Brooklyn Army Hospital verlegt worden. Aber an diesem Tag war sehr viel passiert. Keine Station brachte die Meldung.
Die New York Times, gründlich wie immer, nahm eine Meldung über Mr. Kabovs Verlegung auf. Die Times war die letzte Redaktion, die anrief, und danach wurde die Notiz weggeworfen. Die erste Ausgabe der Times ist morgens erst gegen 10 Uhr 30 auf der Straße. Und am nächsten Morgen um 10 Uhr war es bereits zu spät. Dahlia war schon unterwegs.
12
D ER IRT-Z UG donnerte durch den Tunnel unter dem East River hindurch und hielt an der Station Boro Hall in der Nähe vom Long Island College Hospital. Elf Krankenschwestern, deren Nachtdienst um 23 Uhr 30 begann, stiegen aus. Als sie die Stufen zur Straße hinaufstiegen, waren es plötzlich zwölf. Sie gingen dicht hintereinander die nächtliche Straße entlang und blickten nur hin und wieder mißtrauisch nach rechts oder links. Aber weit und breit war niemand zu sehen außer einem Betrunkenen, der auf sie zugetorkelt kam. Die Schwestern hatten ihn schon aus 25 Meter Entfernung bemerkt und gingen, die Handtaschen fest unter den Arm
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