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Schwarzer Sonntag

Schwarzer Sonntag

Titel: Schwarzer Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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geklemmt, an ihm vorbei. Die meisten Krankenhausfenster waren dunkel. Eine Krankenwagensirene heulte und heulte ein zweites Mal, diesmal lauter.
    »Immer dasselbe«, sagte eine resignierte Stimme. Ein gähnender Wachmann öffnete die Glastüren. »Bitte die Ausweise, meine Damen.«
    Mürrisch kramten die Frauen in ihren Handtaschen und hielten ihre Ausweise hoch - Hausausweise für die angestellten Schwestern, hellgrüne Ausweiskarten, ausgestellt von der State University New York, für die Privatschwestern. Dies war die einzige Sicherheitskontrolle, die sie zu passieren hatten.
    Der Wachmann ließ seinen Blick über die hochgehaltenen Karten schweifen, als zählte er eine Schulklasse ab. Er winkte sie weiter, und sie entfernten sich in Richtung der verschiedenen Stationen. Eine von ihnen betrat die Damentoilette gegenüber vom Fahrstuhl im Erdgeschoß. Wie erwartet war der Raum dunkel.
    Sie knipste das Licht an und sah in den Spiegel. Die blonde Perücke saß ausgezeichnet, und es hatte die Mühe gelohnt, daß sie sich die Augenbrauen gebleicht hatte. Da Dahlia Iyad sich überdies die Wangen mit Watteröllchen ausgestopft und eine modische Brille aufgesetzt hatte, um die Proportionen ihres Gesichts zu verändern, war sie kaum wiederzuerkennen.
    Sie hängte ihren Mantel in die Toilettenkabine und nahm ein kleines Tablett aus der Innentasche. Sie stellte zwei Fläschchen und einen Tablettenbecher auf das Tablett, legte ein Thermometer und einen Zungenspachtel aus Plastik daneben und bedeckte das Ganze mit einem Tuch. Das Tablett war reine Tarnung. Das wichtigste Stück ihrer Ausrüstung befand sich in der Tasche ihrer Schwesterntracht. Es war eine Spritze mit Kaliumchlorid, genug, um das Herz eines kräftigen Ochsen zum Stillstand zu bringen.
    Sie setzte die gestärkte und gebügelte Schwesternhaube auf und steckte sie sorgfältig mit Haarnadeln fest. Dann prüfte sie noch einmal ihr Aussehen im Spiegel. Die lose sitzende Schwesterntracht wurde ihrer Figur zwar nicht gerecht, verbarg aber die flache Beretta, die sie sich oben in die Strumpfhose gesteckt hatte. Dahlia war mit sich zufrieden.
    Der Flur im Erdgeschoß, wo die Verwaltungsbüros lagen, war düster und verlassen. Wegen der Energieknappheit brannten nur die nötigsten Lampen. Im Vorbeigehen las sie die Schilder an den Türen. Buchhaltung, Archiv, da war es - Auskunft. Hinter dem Fenster mit der runden Sprechöffnung war es dunkel.
    Die Tür war mit einem einfachen Schnappschloß gesichert. Sie brauchte keine dreißig Sekunden, um sie mit dem Zungenspachtel zu öffnen. Den nächsten Schritt hatte sie sich genau überlegt, und obwohl es ihr instinktiv widerstrebte, knipste sie das Deckenlicht an, statt nur die Taschenlampe zu benutzen. Die Leuchtröhren summten und blitzten nacheinander auf.
    Sie schlug das große Auskunftsbuch auf, das am Schalterfenster lag, und suchte unter K. Kein Kabakov. Das bedeutete, daß sie auf jeder Etage, in jedem Stationszimmer nachforschen mußte und Gefahr lief, von einem Wachmann entdeckt zu werden. Halt. In den Fernsehnachrichten hatten sie ihn Kabov genannt. Auch in den Zeitungen hatte Kabov gestanden. Ganz unten auf der Seite, da war es. Kabov, D. Ohne Adresse. Auskünfte nur beim Krankenhausdirektor. Jeden, der nach K. fragt, sofort dem Krankenhausdirektor, dem Sicherheitspersonal und dem FBI, LE 5-7700, melden. Er lag auf Zimmer 327.
    Dahlia atmete tief ein und klappte das Buch zu.
»Wie sind Sie hier reingekommen?«
Dahlia wäre beinahe aufgesprungen, sprang aber nicht auf,
    sondern blickte gelassen zu dem Wachmann hoch, der durch das Auskunftsfenster hereinsah. »Hallo, möchten Sie sich nicht ein bißchen nützlich machen?« sagte sie. »Würden Sie das Buch oben beim Nachtdienstleiter abgeben? Dann brauche ich nicht wieder ganz rauf. Das wiegt ja glatt zehn Pfund.«
    »Wie sind Sie hier reingekommen?«

    »Mit dem Schlüssel vom Nachtdienstleiter.« Wenn er den
    Schlüssel sehen wollte, würde sie ihn töten.
»Hier darf sich nachts niemand aufhalten.«
»Hören Sie, wollen Sie oben anrufen und denen sagen, daß
    man Ihre Erlaubnis braucht? Mir soll’s recht sein. Mir hat man nur gesagt, daß ich es holen soll, sonst nichts.« Wenn er anrufen wollte, würde sie ihn töten. »Hätte ich mich erst bei Ihnen melden müssen? Das hätte ich gern getan, aber davon hat man mir nichts gesagt.«
    »Ich bin für das Erdgeschoß verantwortlich, verstehen Sie? Ich muß wissen, wer da ist. Ich sehe das Licht, ich weiß nicht, wer

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