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Schwarzer Sonntag

Schwarzer Sonntag

Titel: Schwarzer Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Skorpion in der Unterhose, eine Wellblechhütte plattgewalzt hatte. Sie reagierte nicht. »Woran denken Sie?«
Hinter ihnen rumpelte eine Kolonne von Schützenpanzerwagen die Straße entlang, und sie mußte laut sprechen, damit er sie verstehen konnte. »Ich denke gerade, daß Ärzte in irgendeinem Krankenhaus in Kairo genauso schuften müssen, um die Schweinereien wieder auszubügeln, die ihr angerichtet habt. Ihr macht so was sogar im Frieden, nicht wahr? Ihr und die Fedajin.«
»Es gibt keinen Frieden.«
»Im Krankenhaus wird viel getratscht. Sie sind so eine Art Kommandoleiter, nicht wahr?« Jetzt konnte sie nicht mehr aufhören, und ihre Stimme klang schrill. »Wissen Sie was? Als ich heute durch die Hotelhalle ging, schnappte ich zufällig Ihren Namen auf. Ein kleiner, dicker Herr, ein Botschaftsrat von einer der ausländischen Gesandtschaften, saß mit ein paar israelischen Offizieren bei einem Drink zusammen. Er sagte gerade, falls es einmal einen wirklichen Frieden geben sollte, müßten sie Sie vergasen wie einen tollwütigen Hund.«
Nichts. Kabakov schwieg. Sein Profil hob sich undeutlich vor den dunklen Bäumen ab.
Plötzlich war ihr Zorn verflogen. Sie fühlte sich ausgelaugt und elend, weil sie ihn verletzt hatte. Es kostete sie Mühe zu reden, aber sie schuldete ihm den Rest der Geschichte. »Die Offiziere standen auf. Einer von ihnen gab dem Dicken eine Ohrfeige, und sie ließen ihre Drinks stehen und gingen«, sagte sie mit kläglicher Stimme.
Kabakov stand vor ihr. »Gehen Sie schlafen, Dr. Bauman«, sagte er und ging.
In den nächsten vier Wochen hatte Kabakov bis über die Ohren zu tun - Büroarbeit. Er war wieder zum Mossad zurückversetzt worden, wo wie rasend gearbeitet wurde, um den Schaden zu ermitteln, den Israel dem Ring seiner Gegner im Sechs-Tage-Krieg zugefügt hatte, und um dessen Potential für einen zweiten Schlag abzuschätzen. Man befragte Piloten, Truppenkommandeure und einzelne Soldaten. Kabakov führte viele der Befragungen selbst durch, verglich das Material mit Informationen von Quellen aus den arabischen Staaten und faßte die Ergebnisse in knappen Memoranden zusammen, die seine Vorgesetzten aufmerksam studierten. Es war eine lästige, ermüdende Arbeit, und er dachte nur noch gelegentlich an Rachel Bauman. Er traf sich nicht mehr mit ihr, und er rief sie auch nicht an. Er wandte seine Aufmerksamkeit vielmehr einer reifen Sabra zu. Sie war Feldwebel der Armee, trug eine pralle Militärbluse und hätte auf einem Zebubullen reiten können, ohne sich festzuhalten. Seine Sabra wurde bald versetzt, und er war wieder allein. Und er blieb allein. Abgestumpft von der Routinearbeit, wollte er von niemandem etwas wissen. Bis ihn eine Party wieder unter Menschen brachte.
Die Party war sein erstes richtiges Fest seit Kriegsende. Sie wurde von zwei Dutzend Männern aus Kabakovs Fallschirmjägereinheit veranstaltet und von rund fünfzig ausgelassenen, netten Männern und Frauen - alles Soldaten - besucht. Sie hatten glänzende Augen und sonnengebräunte Gesichter, und die meisten waren jünger als er. Der Sechs-Tage-Krieg hatte die Jugend aus ihren Gesichtern vertrieben, und jetzt blühte sie, unbezähmbar wie eine winterfeste Pflanze, wieder auf. Die Frauen waren froh, daß sie statt Uniform wieder Röcke und bunte Blusen und Sandalen tragen konnten, und es tat gut, sie zu betrachten. Es wurde kaum vom Krieg geredet, ganz zu schweigen von den Männern, die gefallen waren. Man hatte sein Kaddish gesagt und würde es wieder sagen.
Sie hatten ein Café in den Außenbezirken von Tel Aviv an der Straße nach Haifa gemietet, ein alleinstehendes Haus, das blauweiß im Mondlicht schimmerte. Kabakov hörte den Partylärm schon aus dreihundert Meter Entfernung, als er sich in seinem Jeep näherte. Es klang wie ein Aufruhr mit Musikbegleitung. Im Café und auf der Terrasse unter den Zweigen eines Baumes tanzten Paare. Eine Welle der Aufmerksamkeit ging durch den Raum, als Kabakov eintrat, sich einen Weg durch die Tänzer bahnte und ein Dutzend Begrüßungen erwiderte, die die laute Musik übertönten. Einige der jüngeren Soldaten machten ihre Kameraden mit einem Blick oder einem Kopfnicken auf ihn aufmerksam. Kabakov registrierte all das erfreut, gab sich aber Mühe, es sich nicht anmerken zu lassen. Er wußte, daß es falsch war, wenn sie etwas Besonderes aus ihm machten. Jeder tat, was er konnte. Aber diese Menschen waren noch so jung, daß sie geradezu darauf versessen waren, sich selbst in den

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