Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
Vom Netzwerk:
Stephan zugeteilt. Auch für Camillo war ein Gedeck aufgelegt worden, doch der hatte sich inzwischen schon wieder verdrückt. Es waren mehr Frauen als Männer anwesend, und sie alle drängten sich um Adamus.
    Die Scarabae trafen ihre Auswahl an Pasteten, Kuchen und Gemüsen, die sie daraufhin sofort mit gesundem Appetit verschlangen. Rachaela warf einen kurzen Blick auf Adamus, um zu sehen, was er tun würde, doch anscheinend hatte auch er sich zur Nahrungsaufnahme entschlossen. Diesem Phänomen hatte sie noch nie persönlich beiwohnen dürfen. Er aß langsam und gleichgültig, und doch wurde das Essen auf seinem Teller immer weniger. Und Ruth aß voller Wollust.
    Rachaela stocherte angewidert auf ihrem Teller herum. Sie konnte das feierliche Mahl nicht genießen.
    Würden sie Reden halten und mit einem alten Champagner darauf anstoßen? Es wurde dann aber doch nur Wein herumgereicht, und niemand hatte sich erhoben, um eine Rede zu halten. Und doch war es ein Verlobungsbankett. Was versprach sich Ruth von seinem Ende?
    Hin und wieder wanderte ihr Blick verstohlen zu Adamus hinüber. Ihre Augen waren unersättlich. Sie erwartete etwas, und nichts würde geschehen. Vielleicht hatte man ihr das nicht so ganz klargemacht. Was im Moment geschah, bildete den einzigen und wahrhaftigen Höhepunkt der Nacht. Als Adamus sich erhob, sah Ruth erwartungsvoll zu ihm auf.
    » Gute Nacht«, sagte Adamus. » Gute Nacht, Anna. Gute Nacht, Ruth.«
    » Musst du uns schon so früh verlassen?«, fragte Anna.
    » Ich bin zwei Stunden geblieben«, sagte er.
    Anna senkte ihr Haupt, und Adamus verließ den Tisch des Märchenfestes und spazierte aus dem Zimmer.
    Ruth hatte sich schon halb erhoben.
    » Soll ich …«
    » Nein, Ruth. Bleib und iss zu Ende.«
    Ruth ließ sich zurück auf ihren Stuhl fallen, in ihren Augen schimmerte es verdächtig. Sie stach mit ihrer Gabel in ihr Hühnchen, doch ein wenig ihrer Vitalität schien verschwunden zu sein.
    Das Mahl ging noch lange Zeit weiter.
    Rachaela hatte es herzlich satt, sie sehnte sich regelrecht danach, wie er fliehen zu können, wusste jedoch gleichzeitig, dass sie bleiben musste.
    Schließlich waren von den Früchten und Desserts nur noch Kerne und Krümel übrig. Die Gesellschaft erhob sich.
    Ruth schwirrte hoch wie eine scharlachrote Eintagsfliege.
    » Soll ich jetzt nach oben gehen?«
    » Nein«, sagte Anna. » Es ist schon sehr spät. Ich bin sicher, dass du bald zu Bett gehen willst.«
    Ruths Gesicht wirkte müde, sie hatte dunkle Ränder unter den Augen.
    » Nein.«
    » Jetzt fühlst du es noch nicht, aber später wirst du merken, wie müde du bist. Nach all der Aufregung.«
    » Und das Kleid«, sagte Alice, » das Kleid muss ausgezogen und zurück auf die Schneiderpuppe gehängt werden.«
    » Ich will das Kleid behalten«, sagte Ruth. » Ich will es anziehen.«
    » Oh, nein, nein. Wer hat denn je von so etwas gehört? Solche Kleider werden einzig für den besonderen Tag aufbewahrt. Du willst doch das hübsche Kleid nicht ruinieren?« Alice bebte vor Erstaunen.
    Ruth betrachtete Alice, und plötzlich sprühten ihre Augen geradezu vor purem Hass.
    Natürlich, man hatte sie zurückgewiesen. Zuerst kein Adamus, und jetzt auch noch kein Kleid. Sie wollten ihr die Rolle streitig machen. Ein anderes Kind hätte wahrscheinlich vor Wut getobt, doch dieses Kind hatte schon früh gelernt, dass es rein gar nichts nützte, wenn man einen Koller bekam.
    Alice jedoch schrumpfte unter Ruths Blick merklich zusammen. Sie wandte sich an Peter, um von ihm Beistand zu erhalten:
    » Es wurde schon immer so gehandhabt. Sie weiß das nicht. Erinnerst du dich daran, als Jessica ihr Kleid zerriss und man es zusammennähen musste, als sie es trug? Es wurde um sie herum festgenäht und musste aufgeschnitten werden, damit sie es wieder ausziehen konnte.«
    Peter nickte.
    Ruth sagte: » Es ist doch nur ein altes Kleid.«
    Das schockierte die Alten. Sie waren zwar daran gewohnt, Ruth als Kind zu betrachten, doch hatten sie sonst stets die Antworten einer verantwortungsbewussten Erwachsenen von ihr erhalten.
    Sie waren ratlos.
    Rachaela sagte: » Alles Schöne hat einmal ein Ende.«
    Ruth warf Rachaela einen kurzen Blick zu. Sie hatte von ihrer Mutter noch nie etwas Gutes erwartet, und hasste sie deshalb auch jetzt nicht dafür, dass sie wieder einmal nichts Gutes beizusteuern hatte.
    Sie verließen den Tisch, und einige der alten Frauen brachten Ruth nach oben, um ihren Putz zu entfernen.
    Es war drei Uhr

Weitere Kostenlose Bücher