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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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und allmählich immer mehr von den Scarabae. Vielleicht würde sie den nächtlichen Fußmarsch über die Heide doch noch hinter sich bringen müssen.
    Wie lange würde es noch dauern, bis all die neuen Spielsachen verblasst waren? Sicherlich war der Zeitpunkt schon gekommen. Auch die Scarabae hatten sich verändert. Sie erschienen nicht mehr in Herden zum Abendessen, sondern nur noch zu zweit oder zu dritt, und manchmal tauchten auch nur Anna und Stephan auf. Sie starrten Ruth nicht mehr so intensiv an.
    Die Scarabae glaubten, dass Ruth ihnen jetzt sicher war. Sie war wohlbehütet und gesund. Die Verlobung hatte sie in ihre kostbare Form gepresst, und jetzt nahmen sie sich die Freiheit, sie zu vergessen, obwohl sie sie eigentlich wie ihren Augapfel hüten müssten. Wenn es ihnen gerade in den Sinn kam, blickten sie wohlwollend und gütig auf sie herab. Doch sie war nicht mehr der Stern, um den sich alles drehte.
    Ruth hatte ihren Prinzessinnenstatus verloren. Jetzt war sie nur noch ein Kind des Hauses.
    Und er, der Prinz, war ebenfalls verschwunden.
    Hatte Ruth an der Tür zum Turm gerüttelt? Hatte sie die zweite Tür unter dem Nebengebäude ausfindig gemacht und auch an ihr vergeblich geklopft? Hatte sie irgendeine kindische Nachricht geschrieben und dann wieder zerrissen?
    Rachaela folgte Ruth.
    Sie folgte ihr durch die gewundenen Korridore, an den Reihen der schwelenden Fenster vorbei, die sich nicht öffnen ließen und die mit ihren rubinroten und leuchtend blauen Scheiben die Hitze nur noch verstärkten, so dass man sich, wenn man sie tatsächlich berühren sollte, gewiss an ihrem reflektierten Licht verbrennen würde. Sie wartete im Türrahmen, während Ruth durch schwarz lodernde Räume wanderte, die in der feuchten Schwüle einen süßlichen Honiggeruch verströmten.
    Sie beobachtete Ruth bei ihrem Versuch, verschlossene Türen zu öffnen, und erinnerte sich an ihre eigenen Versuche vor langer Zeit. Und sah ihr dabei zu, wie sie die abgeschiedenen Welten der Scarabae betrat und dabei auch manchmal auf einzelne Angehörige der Familie stieß: Alice in ihrem Wohnzimmer; Eric, der eine Maske schnitzte in einem Gemach, dessen mit granatroten Blütenblättern bemaltes Fenster von einer milchigen Jalousie bedeckt wurde. Und Ruth hielt die Wolle für Alice und sah Eric beim Schnitzen zu. Später stieß sie dann auf Peter und Dorian im Morgenzimmer, die unter der Jezabel im Weinberg Schach spielten, wo selbst das Grün wirkte wie der heiße Dampf eines Vulkans.
    Ruth fragte: » Bringt ihr mir das Schachspielen bei?«
    Dorian, der sie mit dem dunklen Prinzen verlobt hatte, antwortete nur: » Vielleicht irgendwann einmal. Nicht jetzt. Wir sind im Moment beschäftigt.« Und Peter fügte vage hinzu: » Bist ein braves Mädchen.«
    Rachaela hörte, wie Ruth den ermüdenden Geräuschen des Hauses lauschte, die einem in den Ohren kitzelten wie das Zirpen von Grillen.
    Das stetige Klicken, Knacken und Stöhnen; das Steigen und Fallen des Meeres, das den Schädel zu infiltrieren und in eine riesige Muschel zu verwandeln schien.
    Sie verfolgte Ruth in die Küche, und in der kohlblättrigen Düsterkeit, in der es so heiß war, dass einem das Atmen schwerfiel, lagen drei pelzige Kaninchen und stanken vor sich hin.
    Ruth betrachtete die Kaninchen. Vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben erkannte Ruth die Verbindung zwischen Fleisch und einem lebenden Tier. Auf dem Tisch war Blut.
    » Fängt der Kater Kaninchen?«
    » Der Kater fängt jetzt nichts mehr«, antwortete Cheta.
    » Carlo tötet sie mit der Schleuder. Ein kurzer Hieb und schon ist das Genick gebrochen. Möchtest du den Auflauf mit mir zusammen machen?«
    » Nein, danke«, sagte Ruth.
    Offensichtlich störte sie das Blut. Es war nicht menschlich.
    Draußen versuchte Ruth Adamus zu zeichnen. Das konnte man an ihren angestrengten Bemühungen und den Blättern, die sie zerriss oder zerknitterte, klar erkennen. Sie konnte ihn nicht einfangen.
    Rachaela beobachtete Ruth in ihrem blutroten Bett, als ihre flinken Hände über ihren eigenen Körper glitten in dem Versuch, die Noten seines jungen und teilweise noch unverständlichen Begehrens zu spielen. Was sah Ruth in ihrer Fantasie? Ihren Vater-Liebhaber, der sie in seine Arme nahm, ein Ritt in der Nacht, konturenlos – denn sie wusste noch nicht genug darüber – zusammengereimt aus Träumen und Bildern aus Büchern, und trotzdem in der Dunkelheit zu einer irrsinnigen Vollendung gebracht, da ihr Körper sehr wohl Bescheid

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